Sehr bewegender Nachkriegsroman…

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Juni erbt das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf einer kleinen norwegischen Insel. Sie reist dorthin, um sich über einiges klar zu werden und stößt auf ein altes Foto ihrer Großmutter mit einem fremden Mann, dass sie dazu veranlasst, die Geschichte ihre Großmutter zu recherchieren. Erst dadurch erkennt sie, warum ihre Mutter und ihre Großmutter ein so schwieriges Verhältnis hatten. Und Juni sieht gewisse Parallelen zu sich selbst, die Einfluss auf ihre Entscheidungen haben.

Juni ist eine junge Frau, die gerade aus einer gewalttätigen Beziehung ausgebrochen ist. In dem Haus, das sie von ihren Großeltern geerbt hat, möchte sie wieder zu sich finden. Doch die Entscheidungen, die sie treffen muss, haben nicht nur Auswirkungen auf sie selbst. Sie stößt auf die Geschichte ihrer Großmutter Tekla, die in ihrem Leben einiges durchmachen musste und das lässt Juni nachdenklich werden. Juni ist insbesondere am Anfang recht inaktiv. Aber das passt so gut zu ihrer Lebenssituation. Wie sie sich dann da langsam herauskämpft ist wundervoll zu lesen und auch mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hat, ist toll herausgearbeitet. So schwer es für sie ist, arbeitet sie auf ihr Ziel hin und sie macht dabei eine nachvollziehbare Entwicklung durch. Für mich war Juni als Figur stimmig und ich fand sie auch echt sympathisch.

Trotzdem war es Tekla, die mich am meisten berührt und auch beeindruckt hat. Völlig unbeschwert geht sie als junges Mädchen mit ihrer großen Liebe, dem deutschen Soldaten Otto nach Deutschland in seine Heimat. Dabei macht sie viele neue Erfahrungen. Durch ihre Augen darf man die Nachkriegszeit in Deutschland miterleben. Die Zerstörungen, die Hoffnungslosigkeit, die Armut und auch die Gewalt, die zu dieser Zeit vorherrschte. Für Tekla ging es eigentlich stetig bergab. Doch sie war eine sehr starke Frau und gab nie auf. Sie macht eine wirklich enorme Entwicklung durch, kämpft sich durch viele Tiefs und sieht sich immer wieder vor neuen Aufgaben. Doch sie wächst an all dem. Tekla ist eine beeindruckende Frau und sie war für mich sehr authentisch dargestellt.

Auch alle anderen Figuren haben mir gut gefallen. Jede Figur hat eine eigene Motivation und bringt die Gesamthandlung voran.

Die Handlung fand ich sehr gelungen. Es wurde eine ansteigende Spannungskurve mit vielen kleinen und größeren Konflikten und überraschenden Wendungen entwickelt. Mich hat es durchweg im Buch gehalten, weil ich unbedingt wissen musste, wie es für die Frauen ausgeht. Die gewählten Themen sind zum Teil schwere Kost, aber aus meiner Sicht super bearbeitet. Und das Ende hat mich insgesamt zufrieden zurückgelassen.

Der Schreibstil hat mir sehr gefallen. Alles liest sich sehr flüssig und angenehm. Die Dialoge passen sprachlich zum Genre und sind authentisch. Die Darstellung der Settings und die atmosphärischen Beschreibungen haben einen Film vor meinem inneren Auge ablaufen lassen. Ein wenig mehr über die Stadt Demmin hätte ich mir noch gewünscht, weil es im Klappentext erwähnt wurde. Da gibt es aber nur ein paar kurze Eindrücke. Und die Darstellung der emotionalen Ebene war großartig. Ich konnte mich in die Figuren hindenken und fühlen und sie dadurch nachvollziehen. Dabei hat mich insbesondere Teklas Schicksal sehr bewegt.

Wirklich gepackt hat mich dann noch der Moment, als mir klare wurde, was der Buchtitel für eine Bedeutung hat. Wow!

Von mir erhält dieses Buch eine ganz klare Kaufempfehlung, weil die Figuren sehr authentisch sind, weil die Geschichte spannend und sehr bewegend, zum Teil aufwühlend ist und weil ich die Darstellung der Nachkriegszeit in allen Facetten wirklich gelungen fand. Kritikpunkte habe ich keine.

Vielen Dank an Trude Teige und den Fischer Verlag für diese Geschichte.