Humorvoll, spannend und poetisch
Mit einem Märchen, dass der alte Biera einem kleinen Jungen erzählt, beginnt Tina Harnesk ihre Erzählung „Als wir im Schnee Blumen pflückten“. Und so sind wir von Beginn an hineingenommen in die Welt der Samen, eines indigenen Volkes im Norden Schwedens, zu dem auch die Autorin gehört. Sie schildert das einfache, oft karge und entbehrungsreiche Leben ihrer beiden Protagonisten. Magie und Poesie haben ihren selbstverständlichen Platz im Alltag. Die eigensinnige alte Máriddja ist mit einer Krebsdiagnose konfrontiert, die ihrem Leben eine absehbare Grenze setzt. Ihr Mann Biera gleitet immer weiter ab in eine Demenz. Und dann ist da noch der Neffe, den die beiden als eigenes Kind aufzogen, bis er ihnen plötzlich im Alter von vier Jahren entrissen wurde. Es bleibt ein tiefer Schmerz, der nie zu stillen war. Der zweite Erzählstrang nimmt uns mit zu Kaj und seiner Verlobten Mimmi und stellt die Frage, wie Traumatisierungen der Kindheit bis ins Erwachsenenalter hineinwirken. Geschickt gesetzte Hinweise treiben die berührende Geschichte voran und sorgen für immense Spannung. Gleichzeitig tauchen wir immer tiefer in die Welt der Samen ein, in der ein Rentierfelle und handgewebte Kleidung in Schnee und Kälte wärmen; der alte samische Gesang, der „Joik“, beruhigt die Geister und verbindet sie mit den Menschen. Die Erzählung lässt uns teilhaben am Wandel einer Kultur, die dennoch ihre Wurzeln bewahrt, auch im 21. Jahrhundert. Márridjas Verhältnis zu ihrer „Telefonapparatmaschine“ beispielsweise lässt uns eintauchen in eine Welt, in der Sichtbares und Unsichtbares, Magisches und Alltägliches eine untrennbare Koexistenz eingehen. Wir folgen dem Zug der Rentiere, erfahren aber auch, welche traumatisierenden Folgen die Zwangsumsiedlung der Samen hatte. Wir fühlen die Verzweiflung der Máriddja in dieser zutiefst emotionalen Erzählung, die gleichzeitig durchdrungen ist von einem kraftvollen Humor. Ein wunderbares poetisches Buch, das einen oft zum Lachen bringt und dabei auch einfach spannend ist. Kurz gesagt: ein reines Lesevergnügen!