Aufwachsen in einer Wohn-Siedlung

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wandablue Avatar

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Reza hasst Deutsche und deutsche Kinder gleichermaßen, denn er ist selber noch ein Kind, ein heranwachsender Jugendlicher, der glaubt, sich in seiner billigen Wohnsiedlung beweisen zu müssen. Er bewundert diejenigen ausländischen Jugendlichen, die einen auf dicke Hosen machen, die keine Autorität gelten lassen, alle Regeln brechen und sich ihre eigenen machen: so will er auch sein. Gewalt ist Macht. Deshalb bejaht er sie. Er begreift nicht, dass Gewalt die größte Hilflosigkeit überhaupt ist.

Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Der Autor ist wie in seinem ersten Roman, Hund, Wolf, Schakal, überaus sprachmächtig. Seine Bilder beeindrucken und erzeugen Emotionen, meistens stoßen sie ab, aber sie zeigen Wirkung beim Leser. Das ist großes literarisches Können.
Reza dealt und erlebt wie die Jungs, mit denen er gespielt hat und deren Denke er versteht, nicht immer teilt, reihenweise abgleiten in die harte Kriminalität, im Gefängnis landen oder dumme Tode sterben. Es ist erstaunlich, dass ein Autor, der als 10jähriger mit seinen Eltern aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet ist, einen solchen Roman schreibt, einen, der voller Wut und Hass ist. Der Autor ist natürlich nicht identisch mit Reza, aber es fällt einem schwer, Reza und Behzad immer auseinander zu halten, da der Roman durchaus einen autofiktionalen Anteil hat.

Ja, es ist schwer, in einem fremden Land anzudocken. Aber den meisten gelingt es irgendwie. Die erste und die zweite Generation zahlt drauf. Aber das ist niemandes Schuld! Das ist die Konsequenz einer Flucht! Wenn überhaupt, ist das Herkunftsland verantwortlich, dafür nämlich, dass eine Flucht überhaupt erforderlich gewesen ist.

Fazit: ein Roman, der in Kafkas Sinne Nachhall hat. Dessen Botschaft ich jedoch energisch widerspreche! Deutschland ist nicht schuld an der Migrantenmisere. Das Land tut sein Bestes. Fehlverhalten einzelner kann man weder auf der einen noch auf der anderen Seite der Gesamtheit ankreiden.

Kategorie: Migrantenliteratur
Verlag, Hanser Berlin, 2024