Die raue Poesie des Fremdseins

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„Als wir Schwäne waren“ von Behzad Karim Khani ist ein eindringlicher und bewegender Roman, der die Erfahrungen einer aus dem Iran geflüchteten Familie im Deutschland der 1990er Jahre schildert. Das Buch fängt die Stimmung und die Zerrissenheit jener Zeit ein, indem es die Geschichte eines Jungen erzählt, der in einer Plattenbausiedlung im Ruhrgebiet aufwächst und sich in einer Welt voller Gewalt, Entfremdung und innerer Konflikte zurechtfinden muss.

Das Cover des Buches ist sowohl hinsichtlich des Motivs, der Flügel eines Schwans, als auch der Farbgebung ausdrucksstark. Die Symbolik des Covers lässt sich vielfältig interpretieren und regt bereits vor dem Aufschlagen des Buches zum Nachdenken an. Es passt gut zur Erzählung und hat mich als Leserin direkt in die Atmosphäre des Buches hineingezogen.

Behzad Karim Khani überzeugt durch eine kraftvolle, poetische Sprache, die es schafft, die tiefen Emotionen und inneren Konflikte des Protagonisten greifbar zu machen. Der Autor verwendet eine dichte, manchmal fast lyrische Erzählweise, die den Leser unweigerlich in den Bann zieht. Die Beschreibungen der Siedlung und der Umstände, in denen die Familie lebt, sind so lebendig und präzise, dass man die Enge und die Hoffnungslosigkeit förmlich spüren kann. Gleichzeitig ist die Sprache rau und direkt, was gut zur Geschichte und den Themen des Buches passt.

Der Spannungsbogen entwickelt sich langsam, aber stetig. Karim Khani lässt sich Zeit, um die Atmosphäre aufzubauen und die Charaktere zu entwickeln. Dies erfordert ein wenig Geduld, wird jedoch durch die Tiefe der Geschichte und die Authentizität der Charaktere belohnt. Die Spannung liegt weniger in dramatischen Wendungen, sondern vielmehr in der intensiven Auseinandersetzung mit den inneren Kämpfen des Protagonisten und der bedrückenden Realität seines Alltags. Der Roman fesselt nicht durch rasante Action, sondern durch seine eindringliche und beklemmende Stimmung, die bei mir noch lange nachwirkt.

Der Roman zeichnet sich durch seine hohe Authentizität aus. Karim Khani gelingt es, die Erfahrung des Fremdseins und die Zerrissenheit zwischen zwei Welten eindrücklich darzustellen. Die Darstellung der Plattenbausiedlung und der sozialen Realität der 1990er Jahre ist erschütternd realistisch und zeigt schonungslos die Härten des Lebens in der Diaspora. Gleichzeitig spiegelt der Roman die inneren Konflikte des Protagonisten wider, der versucht, seinen Platz in einer feindlichen Umgebung zu finden, während er mit der Wut und Ohnmacht kämpft, die in ihm brodeln.

Ein möglicher Kritikpunkt könnte darin bestehen, dass die düstere und teils erdrückende Atmosphäre des Buches auf einige Leser abschreckend wirken könnte. Der Roman verlangt eine gewisse Bereitschaft, sich auf die Schwere und die existenziellen Themen einzulassen. Zudem könnten Leser, die eine klar strukturierte Handlung bevorzugen, die eher episodische Erzählweise als herausfordernd empfinden.

Fazit:
„Als wir Schwäne waren“ ist ein tiefgründiger und kraftvoller Roman, der die komplexen Themen von Migration, Identität und Gewalt eindrucksvoll behandelt. Behzad Karim Khani hat eine einzigartige Stimme, die die Brutalität und die Schönheit des Lebens in der Diaspora gleichermaßen einfängt. Trotz der schweren Themen und der intensiven Erzählweise ist das Buch eine lohnende Lektüre, die den Leser mit vielen Fragen und noch mehr Eindrücken zurücklässt. Für alle, die sich mit den vielschichtigen Realitäten des Fremdseins und den Herausforderungen einer neuen Heimat auseinandersetzen wollen, ist dieser Roman eine klare Empfehlung. Mir hat er die Tür in eine Welt geöffnet, die ich bisher so noch nicht kannte.