Und die Hoffnung wie ein Gift

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tausendmund Avatar

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Du bist wunderschön und tust so weh. Erzählst mit besonderer Zartheit von Gewalt und Enttäuschung. Vom 10-jährigen Reza, der mit seiner Familie in den 1990ern aus dem Iran nach Deutschland geflohen ist und nun in einer Siedlung im Ruhrgebiet lebt. Das Leben hier ist anders, blasser, gedrosselt. Der akademische Background der Eltern nichts wert. Und dennoch unternimmt Reza behutsame Annäherungsversuche an ein Land und jene Menschen, denen die Nähe zur Heimat qua Geburt eine Selbstverständlichkeit ist.

„Eigentlich will ich einfache Brötchen kaufen, stattdessen bestelle ich jetzt aber ein Brot, das deutscher ist. Habe das Gefühl, ihr [der Verkäuferin] etwas zu schulden, von dem ich nicht weiß, wie es heißt und das ich vorerst Deutschland nenne. Ich zeige auf das Roggenbrot. Das rettet nichts. Und dennoch.“ (S. 48)

Du bist eine auf die Essenz reduzierte Erzählung, deren herzeigener Rhythmus die Sprache zutiefst poetisiert, geradezu wie Lyrik erscheinen lässt. Du buchstabierst Gefühle von Fremdheit, Taubheit, Ohnmacht. Denn Deutschland hält seine Versprechen nicht. Je älter Reza wird, desto klarer erscheinen sie ihm als leere Floskeln, als schmerzend-ironische Werbebanner. Und die Hoffnung wie ein Gift, das der Wut den Weg bereitet.

„Jeden Tag macht sich ein anderer lächerlich und dann kommt immer Gewalt. Immer. Ich kenne das. Ich kenne die Flüche, die man ausstößt, wenn die Kette reißt und der Impuls plötzlich im Leerlauf trampelt.“ (S. 91)