Als wir unsterblich waren

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raschke64 Avatar

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November 1989: Die Grenzen sind gerade offen und im Taumel dieses ersten Stunden fährt auch Alexandra mit ihrer Freundin nach Westberlin. Eigentlich will sie da nicht wirklich hin und fühlt sich in den Menschenmassen auch sehr unwohl. Als sie fast stürzt, fällt sie Oliver in die Arme. Er ist Westberliner Student – und es ist für beide Liebe auf den ersten Blick. Nach einigen Tagen voll Glück fährt Alexandra zurück nach Ostberlin. Dort wohnt sie mit ihrer Oma, weitere Familienangehörige gibt es nicht. Die Oma ist schon 93 und als ihr endlich Oliver vorgestellt wird, bricht sie zusammen und muss ins Krankenhaus. Versuche von Alexandra, die Gründe der Ablehnung zu erfahren, blockt sie ab. Erst nach und nach erzählt sie ihre Geschichte: diese beginnt vor dem 1. Weltkrieg und es ist die Geschichte von einigen Freunden, von Familie, von ganz viel Politik und dem Zeitgeschehen bis zur Machtergreifung der Nazis …

Die Autorin Charlotte Roth hat in dem Buch auch einen Teil der eigenen Familiengeschichte verarbeitet. Ich hatte bis ungefähr Mitte des Buches ein wenig Probleme damit. Mir erschienen die vielen politischen Ausführungen ein wenig zu lang und die Geschichte ging für mich etwas zäh vorwärts. So verlor ich etwas die Lust am Weiterlesen. Ab der Mitte des Buches änderte sich das aber. Die Handlung verlagerte sich mehr auf die vielen Familienmitglieder und auf die Freunde. Natürlich wurde die Politik auch mit einbezogen, aber sie war mehr in den Auswirkungen für die Menschen spürbar, nicht ganz so allgemein wie am Anfang. So begann mir das Buch mehr und mehr zu gefallen. Ich wollte wissen, wie es mit den Menschen weiterging und wie dann alles in der Wendezeit mit Alexandra und Oliver zusammenhing. Diese Wechsel zwischen Vergangenheit und relativer Gegenwart sind gut gelöst. Die Figuren des Buches sind zum größten Teil sehr gut beschrieben, die Handlungen nachvollziehbar. Gerade die auch hier beschriebenen 20er Jahre werden oft als die „goldenen“ gezeigt, doch hier werden auch die Auswirkungen auf die einfachen Leute und deren Schwierigkeiten beschrieben. Auch die Schwierigkeiten der damaligen Linke, die Trennung, das gegenseitige Nichtverstehen. Das Buch ist ein Teil guter Geschichte, gleichzeitig ist es aber auch Geschichte.