Als wir unsterblich waren

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regenprinz Avatar

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Der Roman von Charlotte Roth hat mir insgesamt gut gefallen. Er verknüpft die Geschichten zweier (junger) Frauen über fast ein ein ganzes Jahrhundert - Alexandra, die bei ihrer Oma (Momi) in Ost-Berlin aufwächst und am Tag der Maueröffnung Oliver kennenlernt, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Er kommt aus dem Westen und als sie ihn endlich Momi vorstellt, geschieht etwas Schreckliches. Alex sieht sich gezwungen, daraufhin ihre Familiengeschichte zu erforschen, die der Leser Stück für Stück durch die Erzählpassagen um Paula und Clemens kennenlernt ...
Mir persönlich hat der Vergangenheitsteil des Buches und die Geschichte um Paula und Clemens klar besser gefallen, hier fand ich die Figuren eindrücklicher geschildert und auch das Geschehen sehr viel spannender. Nicht nur, weil die Entwicklung der Sozialdemokratie ein interessantes und bislang wenig bekanntes Thema für mich war. Paula, Clemens, ihre Freunde und Familien, die Konflikte in dieser unruhigen Zeit, all das war mir beim Lesen sehr viel näher als der Erzählstrang um Alex in der (Fast-)Gegenwart. Den fand ich dagegen eher blass.
Besonders schön fand ich die Übergänge, mit denen die verschiedenen Teile im Buch jeweils verknüpft waren. Hier griffen jeweils Formulierungen ineinander und leiteten gekonnt über. Toll!
Auch sprachlich hat mir der Roman gut gefallen, die bewegende Handlung wurde oft sehr intensiv geschildert, sodass man das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Beklemmend war es beim Lesen natürlich auch immer, dass ich ja wusste, welche Entwicklung die deutsche Geschichte genommen hat und was von den Nazis zu erwarten war - während die Figuren im Buch da oft noch hofften oder es sich nicht vorstellen konnten ...
Als Kritikpunkt möchte ich lediglich noch erwähnen, dass ich manches an der Geschichte als sehr konstruiert empfunden habe - einige Begegnungen fand ich dann doch zuviel des Zufalls (ich möchte hier aber nicht konkret sagen, um wen es geht, um nicht zu spoilern). Das fand ich schade, weil dadurch die Geschichte insgesamt ein bisschen ins Unglaubwürdige abdriftete, obwohl ich sie gerade historisch richtig gut eingebettet fand. Daher vergebe ich am Ende nur 4 statt 5 Sternchen.