Eine selbstbewusste junge Frau auf den Spuren eines Verbrechens

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sternchen1202 Avatar

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Erster Satz:
“Die grauen Mauern des Millbank-Gefängnisses wurden immer kleiner, bis sie nur noch einen dunklen Punkt am Rande der sich entfernenden Welt darstellten.“

Kylie Fitzpatrick wurde 1964 in Kopenhagen geboren und wuchs in Australien auf. Sie arbeitete für Spiel- und Dokumentarfilmproduktionen in England und Los Angeles und lebt heute als freie Drehbuchautorin in Bristol. Von ihr sind bisher „Der geheime Faden“ und „Der neunte Diamant“ erschienen.

Inhalt:
1840: Rhia lebt als Tochter eines irischen Leinenhändlers in Dublin. Das Geschäft geht aufgrund der fortschreitenden Technik immer schleppender und Mahoney-Leinen geht es finanziell immer schlechter. Als dann auch noch die Lagerhalle abbrennt und Rhias Vater nur mit knapper Not überlebt, zieht sich die Familie in das alte Cottage der Großmutter zurück, um dort dem ursprünglichen Handwerk wieder nachzugehen. Rhia erhält von ihrem Onkel Ryan, der in London lebt, das Angebot, nach London zu kommen und dort zu arbeiten. Widerwillig nimmt sie es an, ist dann aber von der Stadt und den Möglichkeiten beeindruckt, die sich einer selbstbewussten Frau bieten.
Kurz nach ihrer Ankunft, stirbt Ryan unter mysteriösen Umständen und als Rhia eigene Nachforschungen anstellt und ihren Verdacht äußert, ihr Onkel sei umgebracht worden, wird sie für einen Diebstahl eingesperrt, den sie nicht begangen hat. Ihre Unschuld wird auch bei einem Prozess nicht anerkannt und Rhia wird dazu verurteilt, nach Australien deportiert zu werden. Doch Rhia hat viele Freunde, die sie unterstützen und ihr helfen, und gemeinsam gelingt es ihnen, ein schweres Verbrechen aufzudecken.

„Am Horizont das Rote Land“ ist ein historischer Roman, der 1840 in Irland, Groß Britannien und Australien spielt. Im Mittelpunkt steht neben der Textilindustrie Rhiannon Mahoney, eine junge und modern denkende Frau.

Die Autorin hat mit Rhia einen wunderbaren Charakter geschaffen, der den Leser mit auf eine Reise ins 19. Jahrhundert nimmt. Rhia ist 28 Jahre alt, als sie die irische Heimat verlässt und nach London reist, um dort eine Anstellung zu finden. Dort kommt sie einem großen Verbrechen auf die Spur, was ihr selbst zum Verhängnis wird. Rhia wird verdächtigt, einen wertvollen Stoff gestohlen zu haben, wird verurteilt und mit einem Gefängnisschiff nach Australien deportiert. Der Leser leidet mit Rhia und erhält durch sie sowohl Einblick in den damaligen Welthandel, als auch in die Kolonialisierung Australiens und die Lebensbedingungen der Menschen.

Sehr gut hat mir hier gefallen, dass man beim Lesen sehr viele Hintergrundinformationen erhält. Der Leser lernt sehr viele unterschiedliche Stoffe, Webarten und Verarbeitungsvarianten kennen. Des Weiteren erfährt man etwas über die Anfänge der modernen Fotografie.

Nachdem ich das Nachwort und die Danksagungen gelesen habe, erhielt der Roman noch eine weitere interessante Facette: das Rajah-Quilt gibt es wirklich und es wird in Canberra ausgestellt. Die Autorin hat sich ausgiebig damit beschäftigt und rund um dieses textile Zeugnis der Gefangenentransporte nach Australien eine wunderbare Geschichte geschaffen.

Zu dem Erzählfluss trägt besonders der Perspektivenwechsel bei. Ein Großteil wird durch Rhias Perspektive erzählt, jedoch wechselt der personelle Erzähler auch immer wieder zu anderen Personen. So ist der Leser durch Michael Kelly darüber informiert, was in Sydney passiert, währenddessen Antonia Blake in London weitere Nachforschungen anstellt und Rhia immer noch unter der Seekrankheit leidet.

Neben Rhias Geschichte hat es mir auch Juliettes Geschichte sehr angetan. Juliette, die bei Mrs Blake als Hausmädchen beschäftigt ist, macht zu Beginn auf den Leser einen psychisch innstabilen Eindruck. Nach und nach erfährt man dann jedoch, woher Juliettes Verwirrungen stammen und was sie zu ihrem Handeln bewegt.

Lobend muss ich hervorheben, dass es Fitzpatrick sehr gut gelingt, den Leser in den Bann der Geschichte zu ziehen. Bevor Rhia in London verhaftet wurde, befiel mich selbst ein sehr großes Unbehagen und ich wusste bereits, dass etwas nicht stimmt.

Jedoch gibt es auch Kritikpunkte, die nicht unerwähnt bleiben sollten:
Zu Beginn ist es mir sehr schwer gefallen, in die Geschichte einzutauchen. Dies lag u.a. an dem Schreibstil. Vielfach wurden Sätze hintereinander gereiht, die sich aber scheinbar nicht aufeinander bezogen. So hatte ich anfangs große Schwierigkeiten, immer alles zu verstehen. Gerade an fachlichen Stellen, wenn es um die Textilindustrie oder die weltpolitischen Verhältnisse der damaligen Zeit ging, musste ich ganze Absätze mehrmals lesen, um zu verstehen, was genau gemeint war.

Weiterhin hat es mich geärgert, dass der Klappentext doch relativ wenig mit dem Inhalt des Buches zu tun hat. Auf der Buchrückseite wird angekündigt „Wer liebt, gibt niemals auf!“. Wer jetzt jedoch eine wunderbar ausgestaltete Liebesgeschichte erwartet, wird schwer enttäuscht. Rhia entwickelt erst auf den letzten 50 Seiten romantische Gefühle. Vorher gehen diese meist von den Herren aus, womit Rhia jedoch nichts anfangen kann. Auch andere Sätze des Klappentextes tragen zur Verwirrung bei: „Obwohl alle Hoffnung verloren scheint, gibt es einen Mann, der um Rhia kämpft. Reicht seine Liebe bis ans andere Ende der Welt?“ Auch hiervon bemerkt der Leser erst auf den letzten 50 Seiten etwas.

Zusammenfassend kann ich jedoch sagen, dass „Am Horizont das Rote Land“ ein gelungener historischer Roman ist, der in der Lage ist, die damaligen Verhältnisse anschaulich zu vermitteln. Die Spannung bleibt durchgehend durch kriminalistische Elemente aufrecht erhalten und gerade Rhia schafft es sehr schnell, den Leser zu verzaubern.
Durch die genannten Kritikpunkte ziehe ich zwei Sterne ab und vergebe somit drei Sterne!