Ausdrucksstark, bildgewaltig, emotionaler Volltreffer

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Verschickungskinder – wenn Kinder und Jugendliche auf Anraten von Ärzten zur Förderung der Gesundheit in so genannte Kurheime geschickt werden. Dieses Thema greift die Autorin in ihrem Roman auf und nachdem ich es beendet habe, musste ich erstmal tief durchatmen.

Die mittlerweile fast 50jährige Susanne, Mutter von einer 26-jährigen Tochter erzählt am Sterbebett ihrer Mutter auf deren Wunsch das erste Mal intensiv über diese Zeit in dem Verschickungsheim in St.Peter Ording. Bis dahin verdrängt, weil ihr nach der Heimkehr keiner geglaubt hat, was sich dort abgespielt hat, ihre Mutter aber ahnt, dass das, was die kleine lispelnde Susi erlebt hat, doch mehr war, als man es in dem Alter der blühenden Phantasie zusprechen konnte.
In Zeitsprüngen erlebt man nicht nur die wachen und dementen Züge von Susannes Mutter, sondern auch nach und nach die grausame, unvorstellbare Zeit in einem der unzähligen Heime und Susis ganz eigene traurige Geschichte, die sie und alle Kinder, die dort waren, für immer geprägt hat.

Mich hat es eiskalt erwischt, es fühlte sich wie ein Emotionstsunami an, der mich gnadenlos überrollt hat, völlig erschüttert, dass Menschen zu so was fähig sind und vor allem, weil man die Gründe einfach nicht versteht. Dieses Heim ist ja kein Einzelfall gewesen, aber dennoch so wichtig, dass dieses dunkle Thema, dass sich von der Nachkriegszeit bis in die 90er Jahre noch basierend auf NS-Ideologie durchgezogen hat, endlich Gehör und Verständnis für die Betroffenen findet.

Am meisten Unverständnis kommt dabei auf, wie geschickt die Heime die Abläufe vertuscht haben, die Kinder eingeschüchtert haben und somit kaum etwas nach außen drang oder nur wenige Eltern sich bewogen fühlten, dagegen anzugehen.
Trotz dieser sehr bedrückenden Erlebnisse fand ich dieses feine Netz der Verbundenheit zwischen den Kindern so niedlich und besonders Susannes Geheimnisse und Erinnerungen bringen etwas zutage, was mich sehr berührt und am Ende sehr gefreut hat.

Ausdrucksstark, bildgewaltig, emotionaler Volltreffer - die Autorin versteht es wieder mal, den Leser in die Geschichte hineinzuziehen und all die Erlebnisse fast selbst spüren zu können. Parallel als Hörbuch fand ich die gesprochene Umsetzung genial, Ulrike Kapfer ist die geniale Besetzung und durch sie ist die Geschichte noch lebendiger geworden.

Eine fiktive Geschichte, die aber auf Tatsachen beruht, wichtig gegen das Vergessen, gegen all die Gräuel an den Kindern, die in solchen Verschickungsheimen das Schlimmste, was man einem kleinen Menschlein antun kann, erleben mussten, meist nur schwer darüber hinwegkamen und vielleicht immer noch damit zu kämpfen haben, jedes auf seine ganz eigene Weise.