Ergreifend

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annela Avatar

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Was für ein tolles Buch! Schon das Cover hat mich angesprochen – schlicht, aber emotional. Als ich dann gelesen habe, dass es um sogenannte Verschickungsheime geht, wurde ich sofort neugierig. Noch nie zuvor hatte ich davon gehört, und umso schockierender war es, welche Grausamkeiten dort ans Licht kommen.

Im Mittelpunkt steht Susanne, heute fast 60 Jahre alt. Ihre Mutter liegt im Sterben, und mit deren bevorstehendem Tod brechen Erinnerungen an ein dunkles Kapitel ihrer Kindheit hervor: Als kleines Mädchen wurde sie zur „Kur“ ans Meer geschickt – in ein Verschickungsheim. Doch statt einer schönen Zeit mit Spiel, Sandburgen und neuen Freunden erwartet sie dort ein Albtraum. Strenge, unnahbare Erzieherinnen bestimmten den Alltag, das Spielzeug wurde als Druckmittel eingesetzt, Strafen waren willkürlich und hart. Körperliche Züchtigung, emotionale Kälte und Einsamkeit prägten die Wochen – und hinterließen tiefe seelische Wunden.

Die Autorin beschreibt Susannes Erlebnisse mit großer Sensibilität. Ihre Sprache ist klar und eindringlich, die Perspektivenwechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart machen das Erlebte noch greifbarer. Besonders berührend fand ich, wie sich Susanne langsam erinnert und sich dem Schmerz der Vergangenheit nach jahrelanger Verdrängung stellt.

"Am Meer ist es schön" ist ein wichtiges Buch, das ein kaum bekanntes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte beleuchtet. Es zeigt, wie systematisch Kinder ihrer Würde beraubt wurden – oft unter dem Deckmantel der Fürsorge. Ein ergreifendes und mutiges Buch, das lange nachhallt.