Geht unter die Haut

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shilo Avatar

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Barbara Leciejewski schafft es erneut, mit ihrer meisterhaften Erzählkunst eine Geschichte zu weben, die tief ins Herz geht und den Leser nicht mehr loslässt. In "Am Meer ist es schön" entführt sie uns auf eine emotional aufwühlende Reise, die in den 1960er-Jahren im Kinderheim "Haus Morgentau" ihren Anfang nimmt und bis ins Jahr 2019 reicht, als Susanne ihrer inzwischen verstorbenen Mutter von den dunklen Jahren ihrer Kindheit berichtet.
Was diese Geschichte so außergewöhnlich macht, ist die feinfühlige und zugleich authentische Darstellung des Grauens, das missbrauchte Kinder im Schatten eines unbarmherzigen Systems erleiden mussten. Frau Leciejewski zeichnet tiefgründige Charaktere, deren Gefühle und Gedanken sie mit großer Kompetenz und Sensibilität zugänglich macht. Die realitätsnahe Beschreibung der Misshandlungen, Demütigungen und traumatisierenden Erfahrungen werden durch akribisch recherchierte historische Fakten lebhaft und glaubwürdig in die Erzählung eingebunden – eine Leistung, die diesem Buch Authentizität verleiht und die Dringlichkeit der Thematik unterstreicht.
Der flüssige Schreibstil, die dramatischen Wendungen und die dichte Atmosphäre fesseln den Leser von den ersten Seiten an. Es ist ein Buch, das sowohl durch seine Ernsthaftigkeit als auch durch seine emotionale Tiefe beeindruckt, ohne jemals kitschig zu wirken. Besonders berührend sind die Szenen, in denen Susannes innerer Kampf gegen das Trauma sichtbar wird, begleitet von den Beweggründen und inneren Konflikten anderer Figuren.
Diese Geschichte ist mehr als nur eine Schilderung von Leid – sie ist ein Zeugnis für die Kraft der Verarbeitung und des Überlebens. Der Autorin gelingt es gekonnt aufzuzeigen, wie alte Wunden die Gegenwart beeinflussen, und gibt damit den Opfern eine Stimme. Das Lesen war für mich eine emotionale Achterbahnfahrt, die mir nur selten Tränen und tiefe Nachdenklichkeit erspart hat.
Ein ganz wichtiger Aspekt des Romans ist die Darstellung einer besonderen Freundschaft unter den Verschickungskindern, die einander Halt geben. Trotz der schrecklichen Umstände finden die Kinder Trost und Unterstützung in ihrer Gemeinschaft – ein Hoffnungsschimmer inmitten des Schreckens. Diese Freundschaften verleihen der Geschichte eine zusätzliche Tiefe und zeigen, wie zwischenmenschliche Verbundenheit Kraft spenden kann, selbst in den dunkelsten Zeiten.
Ich kann dieses Buch jedem ans Herz legen, der sich für Geschichten interessiert, die Mut machen, die Wahrheit ans Licht bringen und die den Mut erfordern, sich den eigenen Dämonen zu stellen. Barbara Leciejewski beweist einmal mehr, warum sie eine so erfolgreiche Schriftstellerin ist. Es ist ein Buch, das sicherlich noch lange nachwirkt. 5 wohlverdiente Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung.