Schweigen ist keine Option

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hoelzchen Avatar

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„Am Meer ist es schön“ so schreibt die achtjährige Susanne 1969 auf Postkarten, welche an ihre Eltern gehen. Susanne wurde zu einer sechswöchigen Kur nach St. Peter Ording geschickt. Doch nichts ist schön in diesem Erholungsheim. Die Kinder werden nach den Erziehungsmethoden (Schwarze Pädagogik) der NS-Zeit gedrillt und verleben dort eine Zeit voller Angst, Misshandlungen und Schrecken. Lediglich die Freunde, die Susanne dort findet, geben ihr Rückhalt und sie halten zusammen, um die Grausamkeiten, zu überstehen. Mittlerweile sind über fünfzig Jahre ins Land gegangen, der Gegenwartsstrang des Romans spielt in 2018, und Susanne wird immer noch von Albträumen geplagt, die an diese schreckliche Zeit erinnern. Doch der Zeitpunkt der Aufarbeitung scheint gekommen. Susannes Mutter ist dement und liegt im Sterben. Susanne eilt mit ihrer Tochter Julia und ihren Geschwistern ans Sterbebett im Pflegeheim, um Abschied zu nehmen. Aber ihre Mutter ist noch nicht bereit zu gehen, in einem wachen Moment bittet sie Susanne um Verzeihung und sofort ist ihr klar, worum es geht. Nun findet sie die Kraft, ihrer Familie von den damaligen Geschehnissen zu erzählen.
Barbara Leciejewski nimmt sich in ihrem neuen Roman einem wichtigen Thema an: die Verschickungskinder. Die Kinder von damals sind erwachsen geworden und viele finden nun endlich den Mut darüber zu sprechen, was sie erleiden mussten. In den letzten Jahren, hat sich viel geändert und die Medien haben berichtet. Aber es kann nie genug darübergeschrieben werden. Diese Geschehnisse in einem Unterhaltungsroman zu verarbeiten, ist ein Schritt in die richtige Richtung und somit trägt der Roman dazu bei, Aufklärung zu betreiben und einem großen Publikum zugänglich zu machen. Aber es geht nicht nur um die Verschickungskinder. Ein zentrales Thema sind auch die Beziehungen innerhalb von Familien. Dies Thematik spricht uns alle an und lässt uns ggf. über unsere Familienaufstellungen nachdenken. Der Roman nimmt ein gutes Ende, das ist nicht kitschig, sondern wichtig. Es gibt eine Botschaft: die Verursacher von damals, haben es nicht geschafft, Susanne zu brechen. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen und er wurde von mir innerhalb eines Wochenendes gelesen. Der Romanaufbau ist gut konstruiert und die wechselnden Zeitebenen schaffen eine angenehme Leseatmosphäre. Das Gelesen wird noch lange in mir nachhallen, zumal es in meinem Bekanntenkreis auch Verschickungskinder gibt, die in den 70er Jahren zu Kur mussten. Ob sie wohl ähnliches erlebt haben? Mein Gedankenkarussell will nicht stillstehen.
Wie auch immer, es ist Zeit sich mit dem Thema zu beschäftigen. Von mir eine absolute Leseempfehlung.