Humor und Dramatik.

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Protagonistin Katha(rina), 14 Jahre alt, lebt zusammen mit ihrer Mutter Andrea Lange und ihrer jüngeren Schwester Nadine in Dortmund. Die Eheleute Lange gibt es nicht mehr, sie leben getrennt voneinander. Während Katha als kleines Kind noch Zeugin lüsterne Blicke ihrer Eltern aufeinander war, ebbte die Lust und Leidenschaft mit der Zeit schnell ab und Schwester Nadine war der Versuch die Ehe zu retten. Das Projekt Familie war für die Eltern gescheitert, doch Katha sträubte sich gegen das Auseinanderleben ihrer Eltern.

»Sorgen machte ich mir erst dann, als diese Blicke weniger wurden. So versuchte ich schon in meiner frühesten Kindheit, Momente des Glücks für meine Eltern künstlich zu erzeugen. Ich tüftelte an ihrer Beziehung herum wie eine kleine therapeutische Handwerkerin. […] Je seltener meine Eltern sich mit dem Glücklichen-Blick ansahen, umso heftiger und verzweifelter wurden meine kleinen Pläne […] Eine Festanstellung im Lebenshandwerk, dem selbstlosesten aller Berufszweige, endete nicht nach einem kleinen Misserfolg« (S. 12/13).

Ganz im Gegenteil. Katha hat sich von klein auf in die Rolle der Lebenshandwerkerin eingefunden und gibt diesen Titel auch so schnell nicht mehr ab. Während sie zu Beginn der Story ihr handwerkliches Geschick nur im familiären Umfeld anwendet und sich hier als dritter Elternteil gegenüber ihrer Schwester versteht, weitet sich mit Beginn der Schulzeit der Kreis aus – auch dort betreibt Katha exzessives People Pleasing.

Die Autorin Sina Scherzant versteht es, ihre Figur Katha hinten anstehen zu lassen. Durch die Handlung wird von Beginn an deutlich, wie sich Kathas Lebensalltag verändert – durch das Kümmern, die aufopfernden Gesten und den Willen, das Unwohlsein von Dritten zu verhindern. Die damit verbundene Unsichtbarkeit wird spürbar und wirkt sich auf mich aus. In Windeseile fliege ich nur so durch die Seiten und verfolge gespannt die Geschichte von Katha, ihrer Familie und ihren Freundinnen. Bereits nach ein paar Szenen bin ich begeistert vom Schreibstil und in meinem Hinterkopf wird bereits gejubelt: »Das hier wird sehr gut – ein Lesehighlight. YAY 🙌«

Nicht nur Katha, sondern auch ihre nach und nach immer präsenter werdende Gesprächspartnerin Angelica (Mutter von Jessi, einer Freundin von Katha) schließe ich sofort ins Herz. Durch einen Schicksalsschlag in Angelicas Leben verändert sich auch Katha stark in ihrem Verhalten.

Das Buch ist in drei Kapitel eingeteilt. Der Schreibstil ist für mich im ersten Kapitel anhaltend brillant. Es wird gleich klar, wohin die Autorin möchte, ohne die Spannung dadurch zu drosseln. Das Tempo der Handlungen ist angenehm. Es liest sich wunderbar weg. Wie ich weiter oben schon angedeutet habe – ich bin sehr begeistert. Nach fast 300 Seiten entlässt Sina Scherzant die Leserschaft in das zweite Kapitel, hier ändert sich der Schreibstil. Es wird für meine Geschmack zu anders. Der Bruch – dieses Experiment – nimmt mir meine Euphorie für das Buch. Das letzte Kapitel knüpft vom Niveau wieder an das erste Kapitel an, schafft es aber nicht mehr, meine Euphorie für »Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne« komplett zurück zu holen.

Ich bleibe zurück mit einem Beinahe-Highlight, bin persönlich ein bisschen traurig darüber, aber freue mich, Bekanntschaft mit so einem tollen Debüt gemacht zu haben. Authentische Figuren, ergreifende Geschichte, mit je einer Prise Humor und Dramatik.