Über Anpassung, Freundschaft und Trauer

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gabriele 60 Avatar

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Katha, 14 Jahre alt, hat es nicht leicht in ihrem jungen Leben. Nachdem sich die Eltern getrennt haben, kümmert sie sich um die kleine Schwester, während ihre Mutter in der Trauer um das zerbrochene Glück versinkt. Katha versucht, es allen recht zu machen, das Leid aller zu mitzutragen. Erst die Mutter einer Freundin erkennt ihren wahren Kern und nimmt sich ihrer an. Sie prägt das Mädchen, hilft ihr, die Welt ein wenig zu verstehen. Obwohl diese tiefe Freundschaft nur ein Jahr hält, beeinflussen die Erinnerungen Katha für den Rest ihres Lebens.

Für mich ist das der beste Coming-of-Age-Roman, den ich je gehört habe. Katha erzählt von sich selbst, weshalb ihre Beweggründe sehr deutlich hervortreten. Ihre Einsamkeit und die Liebe zu ihrer kleinen Schwester Nadine sind nachvollziehbar, ebenso wie die Trauer, die den zweiten Teil des Buches trägt. Hier muss man genau zuhören, um zu begreifen, was in der Jugendlichen vor sich geht. Nicht jede Episode ist gleich verständlich, weder für das Mädchen, noch für die LeserInnen/ZuhörerInnen. Hier kann man/frau regelrecht im Chaos versinken. Im dritten Teil, der 14 Jahre später spielt, wird dann deutlich, wie sehr die Freundschaft zu Sophies Mutter Kathas Leben beeinflusst hat.


Eigentlich mag ich die Coming-ofAge-Stories nicht so gerne, fühle mich als Großmutter zu alt dafür. Aber diese Geschichte hat mich einfach umgehauen. Das liegt an der Reflektiertheit, mit der hier vorgegangen wird und an der poetischen Sprache der Autorin, die Jodi Ahlborn als Sprecherin wunderbar umsetzt. Mir gefällt, wie Angelica Kata und ihre Freundinnen auffängt, sich in sie hineinversetzt und ihnen in ihrem Chaos ein Stück Heimat bietet – egal, was die Nachbarn davon halten. Sehr gut umgesetzt ist Kathas Trauer nach Angelicas Verschwinden. Schließlich hat sie ihr mehr Zuneigung entgegengebracht, als die eigenen Mutter in der Lage dazu war; was Kathas weiteres Leben sehr prägte.


Sina Scherzant ist 1991geboren und im Ruhrgebiet aufgewachsen. Die studierte Erziehungs- und Bildungswissenschaftlerin kennt sich aus mit Lärmempfindlichkeit in der Nachbarschaft und mit gesellschaftlichen Missständen, wie sie zusammen mit Marius Notter bewies, der u.a. für Spiegel Online arbeitete. Sie hat hier ein Debüt hingelegt, das mir tief unter die Haut ging und mich als Großmutter zum Nachdenken über die Zeit angeregt hat, die wir anderen schenken.