Was vermag ein starres Bild zu bewegen....

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jesssoul Avatar

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Entsetzen, Trauer, Wut, Ratlosigkeit...das sind die vier dominantesten Emotionen in Claires jetzigem Dasein, nach dem Verlust ihres Babys Oliver in der 20. Schwangerschaftswoche. Mit dem Kind verlor sie ebenfalls ihre Liebe und Leidenschaft für ihren Mann Rob, ihren Sinn im Leben, ihren Dreh- und Angelpunkt. So zumindest fühlt sie sich wenige Wochen nach diesem schmerzlichen Verlust. Kaum etwas scheint sie mit Freude zu erfüllen, nichts erweckt mehr emotionale Regungen in ihr, abgesehen vom Anblick anderer Kinder und einem Stapel Briefe aus der Erbschaft von Robs Großmutter. 

In diesen Briefen schreibt Daisy aus dem London der 40er Jahre an ihre treue Freundin Elizabeth in Kanada: Vom Krieg, von der Liebe und von der Kunst. Zur Zeit des Krieges wurden alle Gemälde aus der National Gallery in London entfernt und in Sicherheit verwahrt; nur um die Gemüter zu beruhigen und die Stimmung zu heben, wird nun jeden Monat ein ausgewähltes Bild ausgestellt, von dem Daisy verlässlich Monat um Monat berichtet. Claire versinkt in dieser vom gesellschaftlichen Wandel geprägten Zeit, sie geht ebenfalls, getrieben von einer verloren geglaubten Neugier, jeden Monat in die National Gallery, um die Gemälde zu bestaunen, von denen Daisy einst schrieb. Doch nicht die Gemälde sind es, die sie am meisten fesseln, sondern Daisys Leben, das Leben im Krieg, die Liebe im Krieg, Sirenen, Luftschutzbunker, Frauen, die arbeiten, Künstler, die zur Kriegsmalerei angehalten werden, der Maler Richard Dacre, in den sich Daisy verliebt, obwohl sie schon versprochen war...

Im Café um die Ecke lernt Claire nun Dominic kennen, und mit der ersten Regung im Herzen beginnt die Geschichte noch paralleler zu Daisys zu verlaufen, als man es am Anfang hätte erahnen können...

Am Tag und in der Nacht ist fürwahr eine gelungene Symbiose aus Kunst und Literatur (obgleich Literatur in meinen Augen ebenfalls eine Form der Kunst ist), das Jetzt und Hier verschmilzt mit dem Damals und Dort und man möchte am Ende, obwohl schicksalsträchtig, das alles wahr war. Ein Happy End ist nicht immer nur langweilig, es hinterlässt ein wärmendes Gefühl und die teils sehr gute Analyse der bildenden Kunst lässt die an mancher Stelle nicht grandios ausgeprägte literarische Erzählkunst vergessen. Von meiner Seite absolut empfehlenswert, eine Geschichte mit emotionsgetriebenen irrationalen und verstandgeleiteten rationalen Wendepunkten an der richtigen Stelle, tolle Charaktere (besonders die aus den 40ern), grandioses Setting, fesselnder Plot...nur ein langes Haar in der Suppe: Die Bilder am Anfang der Kapitel waren leider viel zu klein und farblos!! Aber mir persönlich macht das gar nichts, ich fliege nämlich am Samstag nach London und schaue sie mir in Natura an :)

Danke an vorablesen.de für diese tolle Leseerfahrung!!