Dieses literarische Highlight ist viel mehr als ein Spionageroman

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Alles Äußere an diesem Buch ist unattraktiv. Orangefarbenes Cover, rote dicke Titel- und schwarze dicke Autorenletter, das wiederum mit der schwarzen Autorin harmonisiert und die stilisierte Rückansicht eines schwarzen dünnen Mädchens mit einem Umhang an die US-amerikanische Flagge angelehnt. Und dann noch das dicke Papier, natürlich FSC zertifiziert – einfach eine furchtbare Haptik. Doch nicht von diesen schrecklichen äußeren Eindrücken täuschen lassen und auf den Inhalt schließen. Dieser Debütroman von Lauren Wilkinson (bereits die dritte Auflage 2020) ist von großer literarischer Klasse. Hervorragend und außergewöhnlich was den Plot, den Schreib- und Erzählstil betrifft. Kompliment an Lektoren und Übersetzer.

Am Anfang Connecticut, 1992: Marie Mitchell, die Heldin? in “American Spy” schreibt alles auf, wie einen Brief oder ein Tagebuch, um ehrliche Antworten auf die Fragen ihrer Kinder zu geben, die sie sich im Laufe ihres Lebens stellen werden. Sie schreibt alles hier auf, falls sie dann nicht mehr da ist: Sie kann ihnen erzählen, wer den Mann geschickt hat, der bei ihr eingebrochen ist, sie töten wollte, und warum. Diesen Mann hat sie während des Kampfes eine Kugel in den Kopf geschossen. Daraufhin verlässt Marie New York mit ihren vier Jahre alten Zwillingen, William und Tommy und ihrem Hund Poochini in Richtung Martinique, wo ihre mémé Agathe wohnt. Ist Marie auf Martinique in Sicherheit?

Marie Mitchell mit eckigem Charakter, was ist das? Findet es heraus. Sie steckt beim FBI im gewünschten Karriereaufstieg fest.

„Ein Geheimnis birgt Macht, angewandte Macht ist Stärke, Stärke bedeutet Kraft, und Kraft ist immer von Vorteil,“ Marie ist viel zu klug für ihre Schreibtischarbeiten beim FBI. Sie hat eine unheimlich gute Beobachtungsgabe, ein ausgesprochen gutes Gedächtnis und von Natur aus ein gutes Ohr für Akzente. Sie ist eine extraordinäre und gnadenlose Analytikerin.

Nebenbei, eine der zauberhaftesten Feststellungen je gelesen, vor allem für einen Vielleser: “Mich interessiert immer, was jemand dazu bringt, ein bestimmtes Buch zu lesen.“ „Und dass es gar keine richtige oder falsche Antwort auf diese Frage gibt, ob die gelesen Bücher gefallen haben!“

Von 1983 bis 1987 hat Marie in New York für das FBI gearbeitet. Sie wird von der CIA-Kollegen auf den revolutionären Präsidenten von Burkina Faso, Thomas Sankara, angesetzt, offenbar als “Honigfalle”. Sie lässt sich darauf ein, obwohl sie eigentlich mit seinen politischen Zielen sympathisiert. Marie analysiert ihre problematische Situation treffend: „Ich bin eine Frau, ich bin auch noch schwarz, da steht es schon mal zwei zu null gegen mich."

Die wahre Identität von Marie konnte man schon immer anhand der Menschen erkennen, denen sie ihr Herz geschenkt hatte.

“American Spy” ist kein Thriller, sondern ‚A NOVEL‘, wie bei der englischen Originalausgabe, ein Roman. Für die Autorin Lauren Wilkinson stehen weder Krimi- noch Thriller-Elemente im Vordergrund, sondern viel mehr die Person Marie Mitchell, in der Zwickmühle zwischen FBI und CIA, und ihrem Idealismus für die richtige Seite zu kämpfen. Gegen den Imperialismus und den latenten Rassismus. Sie thematisiert die Ausbeutung afrikanischer Staaten durch westliche Staaten wie US-Amerika und Frankreich. Sie verbindet großartig die damaligen politischen Verhältnisse in Burkina Faso von 1987 mit dem persönlichen Schicksal von Marie. Natürlich ist “American Spy” ein Spionageroman, aber auch ein Familienroman, das sehr innige Verhältnis zu ihrer Schwester Helene und das ambivalente Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrem Vater bestimmen große Teile des Romans.

Lauren Wilkinson, 36, aufgewachsen in New York City, lebt in der Lower East Side. Sie lehrte Schreiben an der Columbia University und am Fashion Institute of Technology. Ihre Texte sind im Granta Magazine erschienen.