Mehr oder weniger

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Barack Obama soll zu „American Spy“ gesagt haben: „Weit mehr als ein Spionagethriller“ und damit hat er recht – mehr oder weniger.
Die Geschichte handelt von der ehemaligen FBI-Agentin Marie Mitchell, die von einem bewaffneten Mann angegriffen wird, ihm aber entkommt und ihn tötet. Die Konsequenzen scheinen ihr klar, also packt sie kurzerhand ihre Kinder und flüchtet zu ihrer Mutter auf Martinique. Doch dass sie dort ein unbeschwertes, von niemandem behelligtes Leben führen könnte, ist natürlich Unfug: Sie lebt in der ständigen Angst, ins Fandekreuz der Geheimdienste und sonstigen Ermittler zu geraten.
Lauren Wilkinson schafft mit ihrer Protagonistin eine Figur, die für das Genre des Spionageromans definitiv neu ist, denn „der Spion“ ist weiblich, schwarz und Mutter, sodass das typische Bild des Spions doch etwas ins Wanken gerät. Diese Idee ist wirklich zeitgemäß und das (leider) hochaktuelle Thema der Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen in Amerika wird literarisch „aufgearbeitet“. Auch die Erzählweise ist grundsätzlich gelungen: Wilkinson lässt Marie teils retrospektiv aus der Ich-Perspektive an ihre Kinder berichten und dabei trifft „berichten“ es tatsächlich am besten. Denn der Text kommt oft recht objektiv daher, was sich wiederum ein wenig mit dem Ansinnen beißt, Literatur zu verfassen. Deshalb fiel es mir auch schwer, mit Marie mitzufühlen. Das mag Absicht sein, doch mir fehlte es. Ebenso wie mir die Spannung fehlte – und die erwarte ich bei einem Buch, das unter dem Genre „Spionagethriller“ läuft, schon. Bis auf kurze Peaks war das allerdings Fehlanzeige. Und so folgte man eben mehr oder minder begeistert Maries Erzählungen. Insofern kann man Barack Obama beipflichten: Die Geschichte erzählt mehr als einen Spionagethriller, nämlich vorwiegend dem doch recht ungewöhnlichen Leben einer schwarzen Frau in Amerika, von ihrer Herkunft, ihren bzw. den Problemen ihrer Familie in einem von „alten weißen Männdern“ dominierten Land. Allerdings wird damit die Geschichte dem Genre nicht gerecht und umgekehrt ebenso wenig. Letztlich bleiben so solide 3 Sterne, weil letztlich jeder selbst entscheiden muss, ob die Geschichte die richtige Lektüre ist.