Tiefgründiger als erwartet

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sternbloome Avatar

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Connecticat 1992: Marie Mitchell wird eines Nachts in ihrem Haus von einem bewaffneten Mann angegriffen und kann nur knapp entkommen. Danach flüchtet sie mit ihren Zwillingssöhnen nach Martinique. Dort beginnt sie ihr Leben in der Spionagewelt für ihre Söhne aufzuschreiben.

Von Anfang an hat mich das Cover irgendwie angezogen - mit der gelben Farbe und roter Schrift ist es recht auffällig. Nach lesen der Inhaltsangabe und der Leseprobe war ich dann sehr neugierig auf das Buch.

Es hat nicht die übliche Erzählweise. Vielmehr ist es eine Art Tagebuch, in welchem die Hauptprotagonistin Marie sich in der Ich-Perspektive an ihre Söhne William und Tommy richtet und ihnen ihre Geschichte erzählt - für den Fall, dass sie nicht mehr für sie da sein kann. Dabei wird die Geschichte nicht chronologisch erzählt. Der Hauptteil spielt um 1987/88, durchbrochen von Rückblicken aus ihrer Kindheit, Jugend und jüngerer Vergangenheit.
Ich bekam einen guten Einblick in das Leben von Marie; was sie prägte, wie sie lebte. Zudem erfährt man viel über das Leben und arbeiten als Farbige in Amerika in den 60ern, 70ern und 80ern. Sehr prägnant war der Satz: "[...] Ich kleidete mich brav, drückte mich gewählt aus, strengte mich in der Schule an, akzeptierte, dass ich doppelt so aufrecht sein musste, damit Weiße mich als nur halb so tugendhaft wahrnehmen. [...]" (S. 89).

Marie wirkte bei allem sehr gezielt und bestrebt den Kontakt zu ihrer Schwester Helene nicht zu verlieren, auch über deren Tod noch hinaus.
Agathes Rolle in dem ganzen war mir teilweise sehr diffus - viel Spekutlationen, aber kaum Fakten. Ich weiß bis jetzt nicht, ob sie tatsächlich wie Mr. Ali war, oder ob Marie und Helene das nur vermuteten.

Neben dem Leben und Wirken von Marie erfährt man viel über die Politsche Situation in Burkina Faso und über ihren charismatischen Präsidenten Thomas Sankara. Bisher hatte ich mich noch nie damit befasst und es war sehr spannend, sich mit dem thema auseinanderzusetzten. Allerdings habe ich manches mal etwas gebraucht, bis ich die Zusammenhänge verknüpft hatte.

Insgesamt ist es eine sehr persönliche Sichtweise und im Hintergrund der derzeitigen Rassismusdebatten schafft es Lauren Wilkinson viele Erfahrungen anzusprechen, ohne das es gestellt und vorwurfsvoll wirkt. Ein klassischer Thriller ist es jedoch nicht. Man hat zwar ein gewisse Spannung schon von Anfang an, aber durch die vielen Rückblicke ist es nicht so, wie man es kennt. Es ist halt "weit mehr als ein Spionagethriller" (Barack Obama) und schwer, einem bestimmten Genre zuzuordnen.

Ein fesselndes und authentisches Buch.