Vielschichtig und spannend

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sandra falke Avatar

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Der Thriller "American Spy" ist ein Tagebuch, in dem Ex-FBI-Agentin Marie ihren zwei Söhnen ihre Lebensgeschichte offenbart. Im Laufe der gefühlvollen und spannenden Erzählung erfahren wir, warum ein Auftragskiller plötzlich in Maries Schlafzimmer eindringt, warum die Beziehung zu ihren Eltern als schwierig beschrieben werden kann – und was das ganze mit dem Vater der beiden Jungs zu tun hat.

Gleichzeitig deckt Marie selbst die Wahrheit um die verhüllten Einzelheiten des tödlichen Unfalls ihrer älteren Schwester auf, die sie zu furchtbaren Erkenntnissen führt und zu einer gefährlichen Mission motiviert.

Die Geschichte ist vielschichtig, zahlreiche interessante Themen werden angeschnitten: Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen in den 1960er bis zu den 1990er Jahren in den Vororten New Yorks; alltägliche Hindernisse schwarzer Männer und Frauen im Karriereleben, insbesondere im Militär- und Geheimdienst; und die unterschiedlichen Arten von Misogynie und Rassismus innerhalb der FBI, wo jeder jeden für seine oder ihre Zwecke ausnutzt.

Wilkinsons Protagonistin ist vorrangig eine Mutter, die ihren Söhnen eine Geschichte erzählt, weswegen manche Passagen sehr emotional gefärbt sind und die Beziehung zum Vater ihrer Söhne aus einer pragmatischen Perspektive ziemlich naiv zu sein scheint. Maries Beziehungen zu anderen Menschen in ihrem Umfeld gestalten sich jedoch immer vorsichtig – keineswegs möchte die Agentin jemals mehr von sich preisgeben, als für die jeweilige Situation notwendig.

Die Hauptfigur ist ein Hybrid von liebevoller Mutter und schlagfertiger Geheimagentin – beide Teile der Figur gelingt es Wilkinson, glaubwürdig zu schildern und miteinander zu vereinen. Das Tempo der Handlung ist durchgängig nicht zu schnell, um detaillierte Situationen zu vernachlässigen, und doch zügig genug, um stets Spannung aufrecht zu erhalten.

An der Komposition und der inhaltlichen Entscheidungen könnte gemeckert werden: eine Teilung des Romans in Kapiteln mit Jahreszahlen ist gelungen und verbessert die Gesamtdynamik der Komposition, wieso eine Dreiteilung nötig war, bleibt mir jedoch unklar.

Ebenso schien das letzte Fünftel des Romans ziemlich antiklimaktisch: die Ereignisse auf die die Handlung hinausführt, werden in sehr kurzer und sachlicher Form ausgeführt, die Erzählung endet abrupt und bleibt zum Teil offen.

Dennoch würde ich den Roman mit vier Sternen bewerten, da die Erzählung wirklich sehr interessant, detailliert, gefühlvoll und spannend geschrieben ist und die Autorin mit einem äußerst komplexen Inhalt gekonnt umgeht.