Faszinierende Jugendgeschichte im Regency Setting

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kleinfriedelchen Avatar

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Edinburgh, 1817: Die junge Lady Hazel Sinnett träumt davon, Chirurgin zu werden und die Anatomie des menschlichen Körpers zu erforschen. Doch als Frau ist ihr dies versagt. Kurzerhand verkleidet sie sich als Mann und schleicht sich so in den Anatomiekurs des berühmten Dr. Beecham. Als sie dort auffliegt, schlägt sie dem Doktor eine Wette vor: auch ohne seinen Kurs will sie die offizielle Ärzteprüfung bestehen. Unterstützung bekommt sie dabei von Jack, einem Auferstehungsmann, der Leichen für Geld ausgräbt und Hazel so Lehrmaterial beschafft. Doch als den beiden Besonderheiten an den Leichen auffallen, geraten sie in einen Strudel aus Geheimnissen und Gefahr...

Medizin, prunkvolles Regency Setting und eine verbotene Liebesgeschichte? Na da bin ich doch dabei! Das waren meine Gedanken, als ich von "Anatomy: Eine Liebesgeschichte" erfahren habe. Und es war wirklich ein außergewöhnliches Jugendbuch, denn hinter dem auffällig schönen Cover verbirgt sich eine ebenso einmalige Regency-Geschichte mit Krimi-Elementen, die mich total in ihren Bann schlagen konnte.

Wer sich für Anatomie interessiert, der kennt sicherlich schon die recht düstere Entstehungsgeschichte dieser Wissenschaftsdisziplin. Denn was man sich heute in Lehrbüchern anschauen kann, beruht natürlich auf den Erkenntnissen, die die ersten Wissenschaftler:innen an verstorbenen Körpern gewonnen haben. Der Bedarf an Körpern zum Studieren war jedoch in Schottland zu Beginn des 19. Jahrhunderts so groß, dass die legale Quelle dafür - nämlich gehängte Straftäter - bei weitem nicht ausreichte und sogenannte "Auferstehungsmänner" es sich zum Geschäft gemacht hatten, die Leichen frisch Verstorbener wieder auszugraben.

In diesem Ausgangssetting finden sich die beiden Hauptprotagonisten Hazel und Jack wieder. Während Hazel der adligen Gesellschaft Edinburghs angehört und ihre einzige Sorge eine alsbaldige Verlobung mit ihrem vermögenden Cousin Bernard sein sollte, schlägt sich Jack auf der Straße durch und verdient sein Geld damit, Leichen auszugraben. Hazels Wunsch, Chirurgin zu werden, füht die beiden schon bald zusammen - und das nicht nur als Arbeitskollegen, denn schon bald entwickeln beide Gefühle füreinander, die weit über das gesellschaftlich akzeptierte Maß an Zuneigung hinausgehen. Doch als Jack Hazel die ersten Leichen bringt, stoßen sie dabei auf etwas äußerst Merkwürdiges... Und so enwickelt sich die Geschichte schon bald von einer Regency Romance hin zu einem Krimi, dessen Auflösung mich wirklich fesseln konnte.

Aber auch der feministische Aspekt der Geschichte konnte mich total in seinen Bann schlagen. Hazel ist eine wundervolle Protagonistin. Ihr Unmut, keine Ärztin werden zu dürfen, nur weil sie eine Frau ist, hat auch mich total wütend vor den Seiten sitzen lassen und ich war regelrecht stolz, dass Hazel sich dagegen auflehnt und ihren Weg geht - keine leichte Entscheidung in einer Zeit, in der der Wert einer Frau lediglich in ihrer Mitgift bestand. Die Gefühle, die sich dabei zwischen Hazel und Jack entwickelt haben, waren da in meinen Augen eher nebensächlich und standen glücklicherweise nicht im Fokus der Handlung, auch wenn ich den beiden natürlich die Daumen gedrückt habe :-)

Die Geschichte, auch wenn sie fiktiv ist, gibt uns einen spannenden Einblick in den Stand der Medizin zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in dem das Römische Fieber in Edinburgh viele Opfer gefordert hat und es üblich war, schwere Steinplatten oder Käfige über Gräbern zu platzieren, um Leichenraub zu verhindern. Diese Mischung aus Geschichtsstunde, Feminismus, Medizin und Liebe hat mich wirklich überraschen können und daher empfehle ich euch das Buch sehr gerne weiter.