Höllenreise mit Potenzial und einem überraschenden Finale

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
pandas_bücherblog Avatar

Von

Das Cover von Anima Daemonis hat mich sofort angesprochen. Düster, geheimnisvoll und einfach stimmig – genau die Art von Buch, die ich schon vom Aussehen her in die Hand nehmen möchte. Die Autorin hat einen klaren, bildhaften Stil, der sich leicht lesen lässt und die Atmosphäre gut einfängt. Gerade zu Beginn fand ich es allerdings etwas herausfordernd, weil man sehr direkt ins Geschehen hineingeworfen wird und gleich mehrere Namen auftauchen, die man sich merken muss. Nach einer kurzen Eingewöhnung bin ich aber besser hineingekommen und habe die dichte Atmosphäre geschätzt, die der Geschichte von Anfang an einen besonderen Ton gibt.


Änlin als Protagonistin hat mich zwischendurch zwiespältig zurückgelassen. Anfangs wirkte sie noch unschuldig und fast zerbrechlich, doch mit der Zeit zeigten sich andere Seiten an ihr. Manche ihrer Entscheidungen fand ich schwer nachvollziehbar, und nicht selten habe ich mich gefragt, ob man ihr überhaupt trauen kann. Gerade diese Ambivalenz macht sie interessant, aber sie hat es mir auch nicht leicht gemacht, eine wirkliche Bindung zu ihr aufzubauen. Spannend fand ich dagegen, wie stark sie sich im Laufe der Handlung verändert und wie man immer mehr das Gefühl bekommt, dass sie nicht die typische Heldin ist.
Mephisto konnte mich ebenfalls nicht ganz für sich gewinnen. Seine Gefühle für Änlin wirkten für mich stellenweise zu intensiv und zu schnell, sodass ich nicht immer mit seiner Sichtweise mitgehen konnte. Gleichzeitig hat mich seine Treue beeindruckt, auch wenn sie fast schon schmerzhaft naiv wirkt. In gewisser Weise war er für mich die tragische Figur des Buches, weil er sich so sehr an eine Hoffnung klammert, die immer wieder zerbricht. Ich habe mich oft gefragt, was er eigentlich wirklich in ihr sieht, und ob es nicht eher die Hoffnung ist, an die er sich klammert, als die Person selbst.
Sehr spannend fand ich Nepthys. Sie bringt eine ganz eigene Dynamik in die Geschichte und ihre Beziehung zu Änlin hat mich oft mehr interessiert als die zwischen Änlin und Mephisto. Gerade weil sie anfangs so abgeklärt wirkt, fragt man sich ständig, ob in ihr nicht doch eine weichere Seite steckt. Ich hätte mir sogar noch mehr Szenen mit ihr gewünscht, weil sie für mich eine der facettenreichsten Figuren ist. Auch Morwen hat im Verlauf deutlich gewonnen. Anfangs erschien sie mir nur als kalte Herrscherin, doch später wird klar, dass sie weit mehr ist und ihre Handlungen von einer konsequenten Logik getragen sind, die sie in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt.
Das Worldbuilding war für mich gleichzeitig ein Highlight und ein Schwachpunkt. Ich fand die Grundidee sehr interessant und mochte es, dass die Hölle hier einmal anders gezeichnet wird. Aber es fehlte mir eine gewisse Klarheit in der Ausgestaltung, sodass ich mich nicht immer orientieren konnte. Eine Karte hätte hier enorm geholfen. Besonders in den Rückblenden kam es mir manchmal so vor, als würde die Handlung ins Stocken geraten. Da hätte ich mir mehr Tempo und eine stärkere Verknüpfung zur Haupthandlung gewünscht.
Trotz dieser Kritikpunkte hat mich die Geschichte nicht losgelassen. Vor allem gegen Ende gelingt es der Autorin, noch einmal alles auf den Kopf zu stellen. Dieser Twist hat mich wirklich überrascht und viele vorherige Fragen plötzlich in einem anderen Licht erscheinen lassen. Das hat die Geschichte für mich deutlich aufgewertet und gezeigt, wie durchdacht sie eigentlich konstruiert ist.


Fazit:
Am Ende bleibe ich mit gemischten Gefühlen zurück. Manche Entwicklungen waren für mich nicht ganz nachvollziehbar und das Pacing hätte an einigen Stellen straffer sein können. Aber die Atmosphäre, die Charakterkonflikte und vor allem das konsequente Ende haben mich beeindruckt.
3/5 Sterne