Der lange Weg zum Selbst

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roomwithabook Avatar

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Eins vorweg: Dies ist das dritte Buch des Autors, das ich gelesen habe, und bisher hatte ich ein etwas ambivalentes Verhältnis zu ihm. „Das Ende von Eddy“ war mir teilweise sprachlich zu derb, „Wer hat meinen Vater umgebracht?“ dagegen fand ich ein wenig zu plakativ und polemisch. Dieses Buch ist anders, reflektierter, aber es zeigt ihn in gewisser Weise auch schutzloser. Dabei hält der Titel, was er verspricht: Man erfährt detailliert, wie aus Eddy Édouard wurde. Und wer ihm dabei geholfen hat. Deutlich wird aber auch, dass Wut sowie der Wunsch, es allen zu zeigen, als Antriebsfeder fungieren. Louis möchte raus aus dem Dorf, weg von den Menschen, die ihn von klein auf ausgegrenzt und drangsaliert haben. Der erste Schritt führt ihn ans Gymnasium von Amiens, hier trifft er auf Elena und ihre Familie, durch sie lernt er bürgerliche Werte und die Liebe zu Kunst und Literatur kennen. Doch irgendwann lernt er dort den Autor Didier Erbin kennen und freundet sich mit ihm an. Amiens wird zu klein für ihn, und da Elena seinen unbändigen Ehrgeiz nicht teilt, muss sie zurückbleiben. In Paris sucht Louis gezielt nach Bekanntschaften, die ihm weiterhelfen, von denen er lernen kann, wie man ein Teil der bürgerlichen Gesellschaft wird. Doch ganz zurücklassen kann er seine Herkunft trotzdem nicht, auch wenn er sich von den Haaren über die Zähne bis hin zu seinem Lachen und seiner Ausdrucksweise neu erschafft. Dieses Getriebensein hat auch immer etwas Trauriges, denn es fehlt die Liebe und die Leidenschaft. Alles ist für ihn Mittel zum Zweck, er interessiert sich nicht unbedingt für die Literatur an sich, die er fast manisch verschlingt, sondern eher für das, was sie für ihn symbolisiert: Bildung und Macht. Und genauso scheint es ihm mit den Menschen um sich herum zu gehen, auch sie scheint er nur danach auszuwählen, inwieweit sie ihn voranbringen können. Natürlich ist der Édouard in diesem Buch ein Kunstprodukt, der Autor zeigt nur das, was er zeigen möchte. Mit jedem weiteren Werk fügt er dem Bild, das er für die Öffentlichkeit kreiert, ein weiteres Puzzlestück hinzu. Wie wir alle lernt er sich mit fortschreitendem Alter immer besser kennen, reflektiert sein Verhalten und ordnet es ein. Und da sein literarisches Schaffen ausschließlich um ihn selbst kreist, werden wir ihn hoffentlich noch lange auf seinem Weg begleiten können. Mein etwas ambivalentes Verhältnis zu Louis ist zwar geblieben, trotzdem habe ich dieses Buch sehr gern gelesen, es hat für mich einige Leerstellen ausgefüllt und Zusammenhänge aufgezeigt. Und jetzt möchte ich auch seine anderen Bücher lesen.