Ein Buch über die Schattenseiten des sozialen Aufstiegs

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yoshi94 Avatar

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Schon seit Jahren ziehe ich meine Kreise um Édouard Louis. Wie ich auf ihm aufmerksam geworden bin weiß ich nicht mehr aber seine Bücher haben immer einen gewissen Reiz auf mich ausgeübt. Jedoch habe ich es nie gewagt eines seiner Werke zu lesen, nie war der richtige Zeitpunkt da. Bei seinem neuen Buch dachte ich mir nur Warum nicht jetzt?. Was bin ich froh endlich etwas von Louis gelesen zu haben! Es ist keine wirkliche Offenbarung, aber ich bin mir nun sicher, dass ich die anderen Bücher von ihm lesen muss.

"Anleitung ein anderer zu werden" hat mich zum nachdenken angeregt. Es hat mich in einen ganz eigenen Bann gezogen, mich berührt und bewegt. Zuletzt hat das nur Tove Ditlevsen mit ihren Memoiren geschafft ("Kindheit", "Jugend" und "Abhängigkeit") und "Melancholie in unsicheren Zeiten" von Joke J. Hermsen. Louis' Geschichte zeigt, dass das Leben doch mit die besten Geschichten schreibt. Sein Werdegang ist so extrem, dass es im wahrsten Sinne des Wortes unglaubwürdig scheint. Er hat mir aber auch gezeigt, dass autobiographische Texte durchaus interessant sein können: letztes Jahr als ich die Leseproben der nominierten Bücher für den deutschen Buchpreis gelesen habe, habe ich noch an all diese Texte gezweifelt. Ist wirklich jedes Leben erzählenswert? Ist es nicht arrogant von sich zu behaupten, dass das eigene Leben so besonders ist, dass andere davon lesen sollen? Eine Antwort darauf habe ich für mich noch nicht gefunden, aber ich denke, dass ich dank diesem Buch dem ein Stück näher gekommen bin.

Édouard Louis erzählt die Geschichte von seinem sozialen Aufstieg. Diese Geschichten gibt es hier und da immer wieder, was ihn so besonders macht ist glaube ich sein extremer Aufstieg. Wortwörtlich hat er es von ganz unten nach ganz oben geschafft. In seinem Roman geht es jedoch mehr um die Schattenseiten dessen: er musste sich und seine Herkunft aufgeben. Selbst wenn man sich für seine Herkunft schämt, sie unbedingt hinter sich lassen will, so ist sie doch ein Teil eines selbst und hat einen entscheidenden Einfluss auf die Person die man ist und später wird. Louis ist dabei radikal ehrlich, zu sich selbst und zu den Menschen die ihn auf seinem Weg geprägt haben und die er vielleicht selbst geprägt hat. Die Art und Weise wie Louis seine seine Geschichte erzählt hat mich ergriffen, wie er die Menschen in seinem Umfeld direkt anspricht, versucht sich zu erklären und gleichzeitig auch zeigt, dass er sich bewusst ist, was er ihnen und sich selbst angetan hat. Dafür bewundere ich ihn. Mit sich selbst so ins Gericht zu gehen, dafür braucht man Mut.

Jetzt mag man sich fragen, wie viele Bücher kann man über sein Leben schreiben? Vor allem wie viele Bücher kann man über sein Leben schreiben, wenn man noch nicht einmal 30 ist? Ich weiß es nicht. Doch Louis greift dies kurz auf indem er sagt, dass dieses Buch genauso wahr ist wie Das Ende von Eddy, nur eben eine andere Seite der selben Geschichte erzählt. Vielleicht brauchte es die paar Jahre zusätzlichen Abstand um dies zu erzählen. Mir gibt das vertrauen in seine Werke. Ich bin sehr gespannt darauf wie mir seine ersten Werke gefallen und was in Zukunft noch kommen wird.