Für Kinder gut aufbereitet, für Erwachsene nur schwer zu ertragen

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chisilisi Avatar

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Puh, schwere Kost, wo fange ich an... Der Comic erzählt die wahre (!) Geschichte von Anne Frank, einem jüdischen Mädchen, mit sich mit seiner Familie 2 Jahre lang in einer kleinen Wohnung versteckte und kurz vor Kriegsende doch noch von den Nazis entdeckt und in einem KZ ermordet wurde. Anne führte während der ganzen Zeit Tagebuch, das ihr Vater später veröffentlichte und das heute als historisches Zeugnis für die Unmenschlichkeit des Holocausts gilt.

Als ich das Buch "Ich bin Anne Frank" gesehen habe, stellte sich mir sofort die Frage: Wie will man aus dieser wahren Geschichte einen Comic machen, und das auch noch für Kinder?

Vorweg: Ich halte das Wagnis für gelungen. Der Comic ist wunderbar gezeichnet und getextet. Anhand von Annes Alltag wird gezeigt, wie sich der Antisemitismus immer weiter ausbreitet und die Juden immer weiter an den Rand gedrängt werden - so darf Anne erst nicht mehr ins Schwimmbad und später nicht mehr in die Schule. Das Leben im engen Versteck wird geschildert. Die nicht-jüdischen Helfer, die der Familie während der zwei Jahre geholfen und zum Beispiel Essen und Bücher gebracht haben, werden namentlich vorgestellt. Und bevor es am Ende richtig dramatisch werden müsste, nämlich kurz vor der Entdeckung der Familie, blendet der Comic gefühlvoll aus, Anne hat letzte optimistische Gedanken, und es wird übergeleitet in die Gegenwart. Mit sanfter Moral werden wir, die heute leben, aufgefordert, niemals zu vergessen, aber wir werden auch freigesprochen von einer Art Erbschuld - wir tragen "nur" Verantwortung dafür, dass wir uns erinnern und verhindern, dass es wieder passiert.

Meine achtjährige Tochter hat die Geschichte interessiert aufgenommen und jetzt auch schon zwei Mal selbst gelesen. Ich hatte das Büchlein vor dem ersten Vorlesen vorsichtshalber alleine gelesen. Als ich vorgelesen habe, musste ich schwer mit den Tränen kämpfen. Als Erwachsener weiß man, welches Grauen der Comic auslässt - lediglich in winziger Schrift in einem Zeitstrahl auf der allerletzten Seite wird erwähnt, dass Anne mit 16 gestorben ist. Aber für Kinder schildert der Comic Annes Leben auf eine unspektakuläre, nicht-reißerische und nicht brutale Weise, in meinen Augen der perfekte Umgang mit dem schwierigen Inhalt. Wenn man sich drauf einlässt, eröffnet das Buch auch Möglichkeiten für wirklich spannende Gespräche mit dem eigenen Kind.