Komplex, unterhaltsam und klug
„Antichristie“ von Mithu Sanyal ist ein wilder Ritt durch London und die Geschichte Indiens.
Ausgangspunkt ist die Beerdigung von Lila, der Mutter der Hauptprotagonistin Durga. Durga verabschiedet sich gleich danach aus Köln, um in London an einer dekolonialisierten Version der Agatha Christie Werke als Drehbuchautorin mitzuwirken. Schon durch dieses Ausgangspunkt schafft Sanyal es gegenwärtige Themen aufzugreifen und all die Positionen und Graustufen in aktuellen und weltgeschichtlichen Diskursen aufzuzeigen. Darf man das Werk einer Autorin einfach so umschreiben, damit es in die heutige Gesellschaft passt? Oder ist das schon zu viel „Wokeness“?
Doch erst einmal kommt alles ganz anders. Aus dem London 2022 wird das London zu Zeiten von Savarkar und Gandhi - es ist 1906. Durga ist in der Zeit zurückgereist. Sie lässt ihren Körper zurück und lebt als Sanjeev in diesem zweiten Erzählstrang im Studierenden Wohnheim India House und begleitet verschiedene indische Revolutionäre, die gegen das British Empire vorgehen wollen. Die Lektüre ist vollgepackt mit Wissen und Ereignissen aus der damaligen Zeit, die mir bis zur Lektüre leider (teilweise) fremd waren. Die Charaktere erhalten sehr viel Hintergrundwissen und kommen in ihrer Komplexität sehr gut herüber. Die umfassende Recherchearbeit der Autorin merkt man der Lektüre definitiv an.
Während der Lektüre reisen wir aber immer auch wieder durch Durgas Vergangenheit und erhalten Einblicke in die Beziehung zwischen Durga und ihrer Mutter sowie in Durgas Freundschaft zu Nena. Damit wird der Roman auch zu einer tollen Lektüre beim Umgang mit Trauer.
Der Plot um die Neuauflage der Christie Werke bekommt auch ausreichend Platz eingeräumt, nachdem die Einführung in das India House stattgefunden hat. Das bringt der Lektüre neben dem historischen Aspekt auch noch einen kleinen Krimiplot ein. Die Zeitebenen differenzieren sich dabei auch durch die Erzählperspektive. So wechselt es zwischen einem allwissenden Erzähler und der Ich-Perspektive, je nachdem ob gerade Durga oder Sanjeev aktiv sind. „Antichristie“ ist ein intelligenter Roman, der vollgepickt ist mit popkulturellen Referenzen, wichtige gesellschaftskritische Fragen aufwirft, zum eigenen Reflektieren anregt und den Diskurs eröffnet.
Wie weit darf Widerstand überhaupt gehen? Und wie steht es dabei um die Gewaltlosigkeit, sind nur zwei der klugen Fragen, die anhand der Handlung bearbeitet werden.Die fast 600 Seiten lesen sich trotz der Themengewalt und Komplexität sehr unterhaltsam. Ich hatte eine tolle Lesezeit. Bildet euch eure eigene Meinung, aber ich glaube für jede*n gibt es einen Aspekt im Roman, der dazu führt dass das Buch in toller Erinnerung bleibt und schöne Lesestunden bereitet.
Ausgangspunkt ist die Beerdigung von Lila, der Mutter der Hauptprotagonistin Durga. Durga verabschiedet sich gleich danach aus Köln, um in London an einer dekolonialisierten Version der Agatha Christie Werke als Drehbuchautorin mitzuwirken. Schon durch dieses Ausgangspunkt schafft Sanyal es gegenwärtige Themen aufzugreifen und all die Positionen und Graustufen in aktuellen und weltgeschichtlichen Diskursen aufzuzeigen. Darf man das Werk einer Autorin einfach so umschreiben, damit es in die heutige Gesellschaft passt? Oder ist das schon zu viel „Wokeness“?
Doch erst einmal kommt alles ganz anders. Aus dem London 2022 wird das London zu Zeiten von Savarkar und Gandhi - es ist 1906. Durga ist in der Zeit zurückgereist. Sie lässt ihren Körper zurück und lebt als Sanjeev in diesem zweiten Erzählstrang im Studierenden Wohnheim India House und begleitet verschiedene indische Revolutionäre, die gegen das British Empire vorgehen wollen. Die Lektüre ist vollgepackt mit Wissen und Ereignissen aus der damaligen Zeit, die mir bis zur Lektüre leider (teilweise) fremd waren. Die Charaktere erhalten sehr viel Hintergrundwissen und kommen in ihrer Komplexität sehr gut herüber. Die umfassende Recherchearbeit der Autorin merkt man der Lektüre definitiv an.
Während der Lektüre reisen wir aber immer auch wieder durch Durgas Vergangenheit und erhalten Einblicke in die Beziehung zwischen Durga und ihrer Mutter sowie in Durgas Freundschaft zu Nena. Damit wird der Roman auch zu einer tollen Lektüre beim Umgang mit Trauer.
Der Plot um die Neuauflage der Christie Werke bekommt auch ausreichend Platz eingeräumt, nachdem die Einführung in das India House stattgefunden hat. Das bringt der Lektüre neben dem historischen Aspekt auch noch einen kleinen Krimiplot ein. Die Zeitebenen differenzieren sich dabei auch durch die Erzählperspektive. So wechselt es zwischen einem allwissenden Erzähler und der Ich-Perspektive, je nachdem ob gerade Durga oder Sanjeev aktiv sind. „Antichristie“ ist ein intelligenter Roman, der vollgepickt ist mit popkulturellen Referenzen, wichtige gesellschaftskritische Fragen aufwirft, zum eigenen Reflektieren anregt und den Diskurs eröffnet.
Wie weit darf Widerstand überhaupt gehen? Und wie steht es dabei um die Gewaltlosigkeit, sind nur zwei der klugen Fragen, die anhand der Handlung bearbeitet werden.Die fast 600 Seiten lesen sich trotz der Themengewalt und Komplexität sehr unterhaltsam. Ich hatte eine tolle Lesezeit. Bildet euch eure eigene Meinung, aber ich glaube für jede*n gibt es einen Aspekt im Roman, der dazu führt dass das Buch in toller Erinnerung bleibt und schöne Lesestunden bereitet.