Zwiegespalten
Durga, halb Inderin, halb Deutsche, hat gerade ihre freiheitsliebende Mutter verloren, als sie nach London kommt, um an einer Neuverfilmung eines Poirot-Filmes mitzuarbeiten. Dieser soll ganz im Zeichen des Postkolonialismus und der Aufarbeitung rassistischer Stereotype stehen. Für viele der Brit:innen, die gerade den Tod ihrer Queen zu betrauern haben, kommt nun dieser vermeindliche Angriff auf ihre geheiligte Agatha Christie wie ein Angriff auf ihr Leben selbst. Und so muss sich Durga nicht nur mit ihrer eigenen Trauer auseinandersetzen, sondern auch mit Menschen, die kaum dazu bereit sind, über die porblematischen Aspekte ihres Kulturgutes zu diskutieren. Doch plötzlich findet sie sich im Jahr 1906 wieder, im India House, umgeben von Kämpfern für die indische Unabhängigkeit.
Ich fand die Idee ganz hervorragend, die heutigen Diskussionen über Kolonialismus bzw. Postkolnialismus den Vorstellungen und Sichtweisen der Freiheitskämpfer, die noch mitten in diesem Kolonialismus feststecken, gegenüberzustellen und so die Möglichkeit zu schaffen, diese direkt zu vergleichen. Vor allem weil der Klappentext gerade was die Handlung in der Vergangenheit angeht, durchaus rasant und handlungstechnisch spannend zu versprechen scheint. Allerdings hat gerade die erste Hälfte des Buches ein ganz substanzielles Problem. Die Handlung dreht sich nur um die Vorstellung von mehr oder minder wichtigen Figuren, vor allem im kolonialen Handlungsstrang, und aus sehr vielen Diskussionen über Indien, die richtige Form des Widerstandes, die Frage nach Identität und Religion und noch viel mehr. Zu lesen durchaus interessant, da einerseits neue Aspekte zum indischen Freiheitskampf und vor allem auch zu dessen postkolonialer Entwicklung, insbesondere des Hindutva thematisiert werden. Allerdings fehlte es an sonstiger Handlung, ganz einfach. Man handelt sich quasi von Podiumsdiskussion zu Podiumsdiskussion, hin und her zwischen Indiahouse, 1906 und den Drehbuchautor:innen 2022. Die Autorin versäumt hier definitiv die Gelegenheit, der Geschichte mehr Tiefe zu geben, neben dem informierenden Aspekt auch noch Spannung miteinzubauen. Das sie es kann, beweist sie ja in der zweiten Hälfte des Romanes. Hier bekommt gerade der historische Handlungsstrang Fahrt und ein Ziel, auf dass er zuzusteuern scheint. Über das ganze Buch erstreckt sich aber meine Verwirrung, bzw. abwartende Haltung, wie sich der Zusammenhang zwischen Handlung in den Jahren 2022 und 1906, und Durgas Mutter ergibt. Diese spielt zwar immer wieder eine Rolle und wird von Durgas Gedanken- und Gefühlswelt immer wieder aufgegriffen, das Buch hätte meiner Meinung nach aber auch sehr gut ohne der Mutter funktioniert.
Neben der inhaltlichen Einseitigkeit hatte ich allerdings auch die eine oder andere Schwierigkeit mit den Figuren. Egal ob im India House oder im Kollegium Durgas, wir begenen zwar ständig den gleichen Figuren, allerdings musste ich immer wieder am Ende des Buches in den Personenbeschreibungen, oder dem Cast, wie es hier kreativ genannt wird, nachzuschauen, mit wem ich eigentlich gerade interagiere. Denn leider verschwimmen diese bis auf wenige Ausnahmen recht stark zu einem Einheitsbrei. Und so habe ich mir durchaus die Frage gestellt, ob nun ein Mangel an charakterlicher Tiefenzeichnung durch die Irrelevanz für die Handlung oder mangelnde Fähigkeiten der Autorin gegeben sind. Wie dem auch sei, mit Durga, bzw. ihrem Pendant im Jahr 1906 wurde ich auch nicht so richtig warm. Stellenweise kommt sie mir dann doch sehr naiv vor und hat mich zeitenweise doch ziemlich genervt. Dadurch, dass sie die Hauptfigur ist, haben wir jedoch deutlich mehr Substanz, als bei den anderen Protagonist:innen, gerade dadurch, dass wir einen mehr oder minder starken Prozess der Reflektion erleben. Und auch den Leser:innen wird vor Augen geführt, wie Theorien zur Revolution und damit einhergehenden moralischen Aspekten auf die Probe gestellt werden. So stellt sich sicherlich nicht nur Durga die Frage, ob pazifistischer Widerstand nicht gerade dadurch menschenverachtend und falsch ist, dass er ein mindestmaß an menschlichen Kollateralschäden erfordert.
Ansonsten maschieren mehr oder minder bekannte Persönlichkeiten der Geschichte, der Literatur und der damaligen gesellschaftlichen Bewegungen durch das Bild. So machen wir Bekanntschaft mit Ghandi, Sherlock Holmes und den Suffragetten. Manchmal cringe, aber insgesamt ziemlich amüsant und auflockernd.
Insgesamt hört sich das ganze jetzt ziemlich negativ an, trotz all der Mängel hat das Buch dennoch sehr stark zum Nachdenken angeregt und mich gerade in der zweiten Hälfte auch sehr gut unterhalten. Und am Ende, nachdem ich das Buch zugeklapt und beiseite gelegt habe, hat ein gutes und angenehmes Gefühl nachgehallt. Und auch wenn ich einige Abstriche machen musste, so kann ich das Buch gerade wegen dem Inhalt sehr empfehlen, muss allerdings sagen, dass ein wenig Vorwissen zum Hindutva oder auch zu den Versuchen der indischen Unabhängigkeit vor dem Ersten Weltkrieg sehr von Vorteil sind.
Ich fand die Idee ganz hervorragend, die heutigen Diskussionen über Kolonialismus bzw. Postkolnialismus den Vorstellungen und Sichtweisen der Freiheitskämpfer, die noch mitten in diesem Kolonialismus feststecken, gegenüberzustellen und so die Möglichkeit zu schaffen, diese direkt zu vergleichen. Vor allem weil der Klappentext gerade was die Handlung in der Vergangenheit angeht, durchaus rasant und handlungstechnisch spannend zu versprechen scheint. Allerdings hat gerade die erste Hälfte des Buches ein ganz substanzielles Problem. Die Handlung dreht sich nur um die Vorstellung von mehr oder minder wichtigen Figuren, vor allem im kolonialen Handlungsstrang, und aus sehr vielen Diskussionen über Indien, die richtige Form des Widerstandes, die Frage nach Identität und Religion und noch viel mehr. Zu lesen durchaus interessant, da einerseits neue Aspekte zum indischen Freiheitskampf und vor allem auch zu dessen postkolonialer Entwicklung, insbesondere des Hindutva thematisiert werden. Allerdings fehlte es an sonstiger Handlung, ganz einfach. Man handelt sich quasi von Podiumsdiskussion zu Podiumsdiskussion, hin und her zwischen Indiahouse, 1906 und den Drehbuchautor:innen 2022. Die Autorin versäumt hier definitiv die Gelegenheit, der Geschichte mehr Tiefe zu geben, neben dem informierenden Aspekt auch noch Spannung miteinzubauen. Das sie es kann, beweist sie ja in der zweiten Hälfte des Romanes. Hier bekommt gerade der historische Handlungsstrang Fahrt und ein Ziel, auf dass er zuzusteuern scheint. Über das ganze Buch erstreckt sich aber meine Verwirrung, bzw. abwartende Haltung, wie sich der Zusammenhang zwischen Handlung in den Jahren 2022 und 1906, und Durgas Mutter ergibt. Diese spielt zwar immer wieder eine Rolle und wird von Durgas Gedanken- und Gefühlswelt immer wieder aufgegriffen, das Buch hätte meiner Meinung nach aber auch sehr gut ohne der Mutter funktioniert.
Neben der inhaltlichen Einseitigkeit hatte ich allerdings auch die eine oder andere Schwierigkeit mit den Figuren. Egal ob im India House oder im Kollegium Durgas, wir begenen zwar ständig den gleichen Figuren, allerdings musste ich immer wieder am Ende des Buches in den Personenbeschreibungen, oder dem Cast, wie es hier kreativ genannt wird, nachzuschauen, mit wem ich eigentlich gerade interagiere. Denn leider verschwimmen diese bis auf wenige Ausnahmen recht stark zu einem Einheitsbrei. Und so habe ich mir durchaus die Frage gestellt, ob nun ein Mangel an charakterlicher Tiefenzeichnung durch die Irrelevanz für die Handlung oder mangelnde Fähigkeiten der Autorin gegeben sind. Wie dem auch sei, mit Durga, bzw. ihrem Pendant im Jahr 1906 wurde ich auch nicht so richtig warm. Stellenweise kommt sie mir dann doch sehr naiv vor und hat mich zeitenweise doch ziemlich genervt. Dadurch, dass sie die Hauptfigur ist, haben wir jedoch deutlich mehr Substanz, als bei den anderen Protagonist:innen, gerade dadurch, dass wir einen mehr oder minder starken Prozess der Reflektion erleben. Und auch den Leser:innen wird vor Augen geführt, wie Theorien zur Revolution und damit einhergehenden moralischen Aspekten auf die Probe gestellt werden. So stellt sich sicherlich nicht nur Durga die Frage, ob pazifistischer Widerstand nicht gerade dadurch menschenverachtend und falsch ist, dass er ein mindestmaß an menschlichen Kollateralschäden erfordert.
Ansonsten maschieren mehr oder minder bekannte Persönlichkeiten der Geschichte, der Literatur und der damaligen gesellschaftlichen Bewegungen durch das Bild. So machen wir Bekanntschaft mit Ghandi, Sherlock Holmes und den Suffragetten. Manchmal cringe, aber insgesamt ziemlich amüsant und auflockernd.
Insgesamt hört sich das ganze jetzt ziemlich negativ an, trotz all der Mängel hat das Buch dennoch sehr stark zum Nachdenken angeregt und mich gerade in der zweiten Hälfte auch sehr gut unterhalten. Und am Ende, nachdem ich das Buch zugeklapt und beiseite gelegt habe, hat ein gutes und angenehmes Gefühl nachgehallt. Und auch wenn ich einige Abstriche machen musste, so kann ich das Buch gerade wegen dem Inhalt sehr empfehlen, muss allerdings sagen, dass ein wenig Vorwissen zum Hindutva oder auch zu den Versuchen der indischen Unabhängigkeit vor dem Ersten Weltkrieg sehr von Vorteil sind.