Mein Lesehighlight 2010!

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annajo Avatar

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Esther ist Ärztin in einem Krankenhaus. Als die prominente Judith nach einem Selbstmordversuch bei ihr eingeliefert wird, geschehen merkwürdige Dinge. Die Ereignisse scheinen Vorboten des göttlichen Zorns und wenig später steht die Welt der Menschen vor dem Abgrund. Nordlichter über dem gesamten Globus, Gluthitze, Zusammenbruch aller Versorgung: eine Plage folgt auf die andere.
Währenddessen wird in der Welt der Engel ein Engel geboren, in den der Rat der Zwölf - 6 Seraphim und 6 Cherubim - alle Hoffnung setzt. Denn die Prophezeiung hat vorausgesagt, dass er der Messias ist und sie im alles entscheidenden Krieg führen wird. Doch Nathanael ist anders als alle Engel und zum ersten Mal seit sich die Engel erinnern können, ist ein Engel nicht vollkommen, denn Nathanael hat einen verkrüppelten Arm. Hat sich die Prophezeiung geirrt? Kann dieser Engel vollbringen, was kein anderer vermag? Denn der Vater liegt im Sterben und die Schar der Engel ist gespalten: auf der einen Seite die Verteidiger, die die alte Ordnung beibehalten wollen, auf der anderen Luzifer, der den Thron des Vaters beansprucht und seine Schöpfung, den Menschen, von der Erde tilgen will. Und Luzifer ist stärker denn je.

Andreas Izquierdo hat eine wirklich überzeugende Geschichte konstruiert, die durch viel Magie besticht, obwohl sie eigentlich nichts Magisches hat. Und doch konnte ich beim Lesen die Göttlichkeit der Engel spüren, obwohl sie nie wirklich betont oder in den Vordergrund gestellt wurde. Izquierdo missioniert nicht mit seinem Buch und es ist nie die Rede von Gott, sondern immer vom Vater. Und obwohl die Engel die Vollkommenheit für sich beanspruchen, lernen wir sie anders kennen. Die Tatsache, dass der Vater im Sterben liegt, erschüttert ihren Glauben, denn gab es nicht ein Versprechen von Ewigkeit? Gelähmt durch Zweifel fehlt ihnen die Einigkeit um Luzifer entschlossen entgegenzutreten. Und so verfallen auch sie der Sünde, werden machthungrig, hasserfüllt, neidisch, eitel. All dies weiß sich Luzifer zu Nutzen zu machen. Doch gleichzeitig ist sein Charakter überzeugend und nicht klar schwarz gezeichnet. Denn auch Luzifer hat seine Überzeugung und einleuchtende Argumente. Er ist hier nicht der Böse, sondern der Erneuerer, der denen gegenüber steht, die an Altem festhalten wollen.
Doch trotz der bildgewaltigen Schlachten, die mich in ihren monumentalen Ausmaßen an die Verfilmung von "Herr der Ringe" erinnert, handelt dieses Buch auch von Liebe. Oder vielmehr von verschiedenen Arten der Liebe. Erstmals unter den Engel verspürt einer Mitgefühl mit dem Feind, aber auch mit dem Menschen. Nathanael ist als einziger fähig zu wahrer Vergebung. Aber auch zwischen den anderen Engeln gibt es Liebe. Und doch, trotz all der Liebe, wenn einer von ihnen sich gegen den Vater auflehnt, zweifelt oder illoyal wird, sind die Strafen drakonisch und grausam. So konnte der Autor auch mein Mitgefühl für Luzifer wecken.
Die Handlungsstränge spielen zum einen in der Welt der Engel und folgen Nathanaels Entwicklung, und zum anderen in der Welt der Menschen, wo der Leser Esther begleitet. Immer wieder berühren sich die zwei Welten ohne dass es den Protagonisten bewusst wird. Das eine wirkt sich auf das andere aus, denn "wenn das eine stirbt, stirbt auch das andere". Diese Verknüpfung der Welten hat mich völlig in seinen Bann geschlagen und fast schien es so, als könnte mir Izquierdo die Welt erklären. Immer wieder musste ich mir vergegenwärtigen, dass es sich hier um fiktive Belletristik handelt, so tief war ich in die Geschichte abgetaucht. Wenn ich nicht gerade lesen konnte - und mich hat eigentlich viel zu viel Unwichtiges vom Lesen abgehalten - dann musste ich ständig an dieses Buch und seine Charaktere denken. Meine größte Befürchtung ist, dass dieses Buch nicht die Beachtung erhält, die es verdient, denn für mich war es das absolute Lesehighlight des Jahres. Ich finde, dieses Buch sollte im Buchladen leuchten, wie die Wände der Engelsburg im Buch, damit sich jeder Leser magisch dazu hingezogen fühlt. Denn mich berauscht es noch immer Tage nach dem Lesen. Und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Bedeutungsebenen tun sich mir auf. Ich werde dieses Buch bestimmt in Zukunft nochmals lesen um auch die Dinge zu erfassen, die mir beim ersten Mal entgangen sind.

[Bei aller Euphorie möchte hier hier aber auch noch einmal eine Lanze für Lektoren brechen. Liebe Verlage, es lohnt sich, Lektoren anzustellen und zu nutzen, um dem Leser solch toller Bücher die unnötigen Tippfehler zu ersparen und das Lesevergnügen zu vervollkommnen! Zum Glück hielten sich die Fehler hier noch so in Grenzen, dass es mein ungebändigten Lesevergnügen nicht beeinträchtigt hat. --\> Ich habe gerade die Information erhalten, dass der Verlag daran arbeitet.]