Asa

Bist du Jäger oder Beute?

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odile Avatar

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In „ASA“ beschreibt Zoran Drvenkar wortgewaltig das Leben des Mädchens Asa und die Geschichte ihrer Familie. Ist der Roman eine Familiensaga, ein Thriller oder ein Rachefeldzug? Eigentlich alles, vor allem aber ist er eine Erzählung, die unter die Haut geht. Nichts für schwache Nerven und nichts zum nebenbei lesen!

Wir lernen zu Beginn die Titelheldin als Vierzehnjährige kennen, die vor ihren Jägern flieht. Dazu springt sie in ein Loch in der Eisdecke eines zugefrorenen Sees. Sie macht es ihren Jägern nicht leicht, die Asas Initiation nur überleben, weil diese sich an die Regeln hält. Dreißig Jahre und einige Tragödien später lauert sie ihrem Paten, einem erfolgreichen internationalen Waffenhändler auf. Trotz seiner Bodyguards bekommt er die Quittung für seine Taten. Ein weiterer Erzählstrang führt den Leser ins Jahr 1902. Marten verlässt Berlin Richtung Osten. In einem kleinen schlesischen Dorf lässt er sich nieder. Hier beginnt der Aufstieg der Familie Kolbert. Schreckliche Erlebnisse während des Ersten Weltkriegs lassen in Marten die Idee reifen, dass nur der Starke überlebt. „Du darfst nie die Beute, sondern musst immer der Jäger sein“, lautet seine Ideologie. Fortan werden die Jugendlichen der Familien, die die Kolberts um sich scharen, hart trainiert. „Die Prüfung“ wird zur bestimmenden Tradition. Zwei Generationen später nehmen sie eine Teufelin in ihre Familie auf und die Gewalt triumphiert ...

Asa ist ein komplizierter Charakter. Einerseits austrainiert, zäh, stur, findig, mutig, gnadenlos. Die geborene Kämpferin. Andrerseits verfügt sie über eine geheime Seite, die lieben und beschützen will. Der Verrat ihrer Familie und der Tod eines sehr geliebten Menschen lässt sie eskalieren. Auch jede der anderen Figuren hat ihre eigene Motivation und Hintergrundgeschichte, die sie zu dem macht, was sie ist.

Zoran Drvenkars Sprache ist flüssig und packend. Seine eher sachliche Erzählweise steht im Gegensatz zur turbulenten Handlung.Immer wieder streut der Autor vorweggenommene Informationen in den Text ein „L. hat von diesem Zeitpunkt an noch eineinhalb Jahre zu leben“ (S. 524), die die Spannung zusätzlich erhöhen. Zeitebenen und Handlungsorte wechseln häufig, ebenso die Perspektive. Der Roman kann nicht einfach einem bestimmten Genre zugewiesen werden kann, was ihn noch fesselnder macht.

Anfänglich habe ich mich mit dem Buch schwergetan. Es ist sehr düster und voller Gewalt. Zu lesen, was speziell Kindern und Jugendlichen angetan wird, muss man ertragen können. Aber dann bin ich in den Sog der Erzählung eingetaucht und habe das Buch innerhalb weniger Tage gelesen. Ich bin begeistert von „ASA“, musste das Buch aber immer mal wieder beiseitelegen, wenn Grausamkeit und Gewalt eskalierten. Der durchgehend düstere, teilweise beklemmende Grundton, die Blicke in tiefste menschliche Abgründe, Verrat, Skrupellosigkeit und Blutdurst spielen eine große Rolle. Noch nie konnte ich Rachedurst so gut verstehen. Dabei ist Asa kein Kampfroboter. Sie beweist innere Stärke, hat sich ihre menschliche Seite bewahrt und den moralischen Kompass nie ganz verloren.

Jedem, der mit der Gewalt klarkommt, kann ich dieses Buch empfehlen.