Asphaltengel

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raschke64 Avatar

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Finnland in der Gegenwart. Eigentlich eine fast ganz „normale“ Familie: Mutter, Vater und 2 Töchter. Nur der Vater ist aus dem Maghreb eingewandert und Muslim. Die Mutter ist Finnin und zum Islam übergetreten. Mehr und mehr entwickelt sie sich zu einer fanatischen Muslima, die viel strenger als der Vater die Gebote des Koran einhält und auch überwacht. Alles wird verboten: Fernsehen, die Familienfotos aus früheren Zeiten, Bekleidung … Die Töchter leiden sehr unter den vielen Verboten und dem Streit zwischen den Eltern. Die ältere Samira zieht mit 18 aus. Die jüngere Leila erlebt das Drama zu Hause und in der Schule – zu Hause die strenge Mutter, in der Schule die Ausgrenzung, weil sie anders aussieht, andere Sachen trägt, nicht „in“ ist.
Asphaltengel werden muslimische Mädchen genannt, die an ihrer Familie oder der Umwelt zerbrechen und sich dann irgendwo herunterstürzen. Und auch Samira scheint so ein Asphaltengel zu sein, als sie am Fuße einer Treppe schwerverletzt gefunden wird …
Das Buch hat mich beeindruckt. Ich habe es fast in einem Zug durchgelesen und dann erschrocken festgestellt, wie sehr ich darüber die Zeit vergessen habe. Dabei ist der Inhalt einesteils schockierend in der Brutalität der Jugendlichen untereinander, in der Ausgrenzung, teilweise dem Hass. Auf der anderen Seite beschreibt es aber – ohne erhobenem Zeigefinger – wunderbar die Probleme, die zwischen den unterschiedlichen Kulturen entstehen, die Probleme die junge (nicht nur) muslimische Mädchen beim Aufwachsen haben. Der Spagat zwischen ihrer Religion und den Anforderungen zu Hause und der modernen europäischen Welt mit der Offenheit und den anderen Sitten in der Gesellschaft, bei Freunden, in der Schule. Es wirbt für viel mehr Toleranz und Verständnis und sollte von vielen – auch jungen Leuten – gelesen werden.
Gestört hat mich nur, dass viele Ansprachen in Finnisch oder Arabisch waren und man umständlich im Glossar nachsehen musste. Dabei waren sehr viele dann Flüche oder Fäkalsprache, so habe ich das Nachschauen oft gelassen.
Davon abgesehen war es aber ein wirklich sehr gutes Buch.