Außenseiter

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murksy Avatar

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Finnland. Wenn man an Muslime denkt, bestimmt nicht zuerst in Verbindung mit diesem kalten Land. Doch gerade diese Kälte passt zu der Situation, in der sich die Mädchen in diesem Roman befinden. Gefangen zwischen dem Wunsch ein ungezwungenes Teenagerleben zu führen und der Verwurzlung in ihre Familie. Nirgends zugehörig, immer aneckend und im Kampf mit der eigenen Identität und den Vorstellungen der Außenwelt. Asphaltengel sind die Mädchen, die keinen anderen Ausweg sehen, als zu springen.
Doch Leila will nicht so enden. Sie begehrt auf, wehrt sich und sucht doch verzweifelt durch die Strassen rennend nur etwas Liebe und Verständnis. Ihre Mutter ist zum Islam übergetreten, geradezu fanatisch lebt sie den Glauben aus, verbannt alles Falsche aus dem Familienleben. Was nur dazu dienen soll, sich und ihre Familie zu schützen, stößt Leila nur ab.
Samira, die große Schwester ist geflohen, will nicht zwangsverheiratet werden oder ihre Freiheit dem Glauben opfern. Doch die Flucht endet jäh, als sie bewusstlos aufgefunden wird und im Koma liegt. Rache der Familie? Ein böser Angriff der anderen Jugendlichen?
Eine harte Welt wird gezeigt, eine verlorene Welt, die scheinbar ein ständiger Kampf ist. Die verzweifelte Suche nach Liebe endet doch nur in grobem Sex. Jugendliche, die sich prügeln, um in der Gruppe Bestand zu haben. Keine Heimat, keine Zugehörigkeit. Gerade, wenn das Buch in absoluter Hoffnungslosigkeit zu versinken droht, tauchen kleine Funken der Menschlichkeit auf. Dann ist die Erzählkunst der Johanna Holmström auf ihrem Höhepunkt. Äußerst feinfühlig beschreibt sie die Gefühle der Jugendlichen, ihre Haltlosigkeit, aber auch ihre Verletzlichkeit und ihre Suche nach Zugehörigkeit. Es geht nur scheinbar um Religion. Doch die ist nur die Analogie zu unserer Gesellschaft, die es Menschen immer schwerer macht, ihre Identität zu finden, sich selbst zu verwirklichen. Was sind die Werte, nach denen wir leben sollen? Wer definiert unsere Grenzen? Der fast schon schmerzliche Schrei nach Liebe wird aufs trefflichste beschrieben, wenn sich die Mädchen in der Schule prügeln und anschließend gemeinsam durch die Stadt laufen. Wer nicht die nötige Härte zeigt, bekommt keinen Respekt und wird zum Ventil für die Unzulänglichkeiten der ebenfalls Suchenden.
Die Religion der Mutter ist letzendlich nur ein Schutzwall, der die Kinder vor dieser Welt bewahren soll. Dabei spielt es keine Rolle, welche Religion dazu dient.
Am Ende versöhnt der Roman, gibt Hoffnung und zeigt, dass es einen Ausweg gibt...und der heißt Toleranz, Liebe und ein Hauch Zutrauen in die Menschen.
Ein großartiges Buch, das es lohnt und wert ist, gelesen zu werden.