Jugendliche auf der Suche

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Das Buch spielt in Finnland, wo es wie bei uns auch Einwanderer gibt, Muslime, Christen, mit heller und dunkler Haut, mit Kopftuch und mit kurzen Röcken.
Leila, die Hauptperson, ist ein junges Mädchen, das in der Pubertät steckt und auf der Suche nach Halt ist. Sie sucht ihn natürlich bei ihrer Mutter, doch die ist zum Islam konvertiert und lebt anscheinend nur noch für Gott und erklärt alles, was Spaß macht, für haram, also verboten. Leilas Vater kommt damit nicht mehr klar und zieht sich aus der Familie zurück, auch an ihm kann Leila sich nicht orientieren. Samira, Leilas große Schwester, ihr großes Vorbild und der Mensch, dem sie bedingungslos vertraut, zieht aus, weil sie sich nicht den religiösen Regeln unterwerfen will und weil sie niemals heiraten will. Sie bricht mit allen Regeln, kleidet sich wie eine Nutte und zieht nachts durch Bars - und sie hat einen Freund. Einen, der so gar nicht zu ihr zu passen scheint, kahlrasiert mit tätowierter Fahne im Nacken. Auch er ist auf der Suche und findet scheinbar Orientierung in der Skinhead-Szene.
Leila gehört in der Schule zu den Außenseitern, mobbing ist dort an der Tagesordnung und es herrscht eine strenge Hackordnung. Von großer Bedeutung sind Jeansmarke und Fabrikat der Handtasche, wer da das falsche trägt, kommt schon mal gar nicht als Gesellschaft in Frage. Ihre Freundin Linda trägt die richtigen Klamotten und gibt in der Klasse den Ton an, zu Leila kann sie sich nicht bekennen.
Das Buch ist verwirrend aufgebaut, es spielt zwischen 2005 und 2008 und springt zeitlich ständig hin und her, man verliert leicht die Orientierung. Dadurch kann man die Verwirrung der Jugendlichen nachvollziehen, die zwischen ihren Vorbildern und Normen hin- und hergerissen werden und immer, wenn sie sich irgendwo sicher und akzeptiert glauben, im nächsten Moment in den Schmutz gestoßen werden können. Es geht um Freundschaft und Treue, um Liebe und Sex, um Religion und Tradition, um Sicherheit und Angst. Ist das Kopftuch, der hijab, ein Stück Stoff oder ein Gefängnis, eine Erleichterung oder ein Zwang? Schlaglichtartig werden Probleme und Lebensfragen mal beleuchtet, mal angerissen wieder fallengelassen, dann ganz unerwartet von einer anderen Seite betrachtet. Ganz so, wie eine heranwachsende Jugendliche ihr Leben empfindet, zwischen dem Elternhaus, der Schule und dem Freundeskreis, der vielleicht gar keiner ist.
Johanna Halmström bzw. ihre Übersetzerin Wibke Kuhn findet eine sparsame und teils fast poetisch beschreibende Sprache, sehr persönlich, in den Gefühlsbeschreibungen treffend und nie kitschig oder plakativ. Ein Genuss, sich von ihr in diese für uns so fremde Welt hineinführen zu lassen.
Asphaltengel ist kein Buch, das ich in einem Rutsch durchlesen konnte, weil es thematisch zum Teil ganz schön an die Nieren geht. Die Schilderung der Grausamkeiten, die die Mädchen untereinander austeilen, ebenso physisch wie psychisch, ist manchmal nicht leicht zu verdauen und auch die Grundfragen, die aufgeworfen werden, ließen mich das Buch manchmal erstmal zur Seite legen. Aber ich bin froh, es gelesen zu haben und kann es vor allem Frauen zur Lektüre nur empfehlen.