Leila und Samira

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Johanna Holmström – Asphaltengel
Asphaltengel, so werden die jungen muslimischen Frauen genannt, die von ihrer Familie und der Gesellschaft in den Tod getrieben werden und sich von den Balkonen der verslumten Hochhäuser stürzen.
Johanna Holmström erzählt die Geschichte von Leila und ihrer Familie. Ihr Vater, ein ausgewanderter Moslem, verlässt die Familie, weil die finnische konvertierte Mutter den Islam für sich entdeckt und sehr orthodox wird. Die ältere Schwester Samira kommt damit auch nicht zurecht und versucht sich von der Familie loszusagen. So bleiben nur noch Leila und ihre Mutter. Doch Leila steht auch zu ihrer Schwester und kann nichts mit der orthodoxen Weltsicht ihrer Mutter anfangen. Ihre Mutter kann auch nichts mit ihrer säkularen Welt anfangen. Und so merkt niemand, dass Leila in der Schule gemobbt wird und doch auch mit der schlimmsten Mobberin im Parkourlaufteam ist und sie eigentlich die besten Freunde sind. Doch die Gesellschaft drängt sie in ihre Rollen und so müssen sie sich in der Schule anders verhalten, als sie eigentlich wollen.
Leilas Welt gerät aus den Fugen, als ihre Schwester ins Krankenhaus eingeliefert. Angeblich ist sie die Treppe heruntergefallen. Doch Leila glaubt nicht an einen Unfall. Waren es orthodoxe Muslime, die Samiras Lebensstil nicht akzeptieren wollten oder ein Zeichen der Rassisten, die in Samira einen Eindringling in ihre Kultur sahen? Oder doch nur ein Unfall? Samira überlebt, doch sie liegt im Koma und plötzlich taucht Samiras beste Freundin auf und allmählich kommt heraus, dass Samira ihren Glauben doch noch entdeckt hatte, einen Rassisten heiratete und ihrer Schwester doch nicht so nahe stand, wie Leila immer dachte. Und auch ihre Rolle in der Gesellschaft und in der Schule ändert sich und sie hat endlich die Möglichkeit sich offen mit ihrer Freundin zu zeigen. Auch ihr eigener Glaube wird immer wichtiger und Leila muss sich entscheiden, wie sie ihr zukünftiges Leben verbringen möchte. Mit Kopftuch oder ohne.
Holmström erzählt abwechselnd aus der Sicht von Leila und aus der Vergangenheit von Samira, bevor sie ins Koma fiel. Dabei geht sie sehr einfühlsam vor und gibt viele Details und Gefühle preis, wodurch die Protagonisten wirklich real erscheinen und man einfach mit ihnen mitfühlen muss. Sie schreibt sehr direkt, manchmal mit sehr derben Worten und auch einige Fremdworte werden verwendet, die jedoch in einem Glossar erklärt werden. Dennoch stört es den flotten Lesefluss, wenn man mitten im Dialog im Glossar nachschlagen muss. Das wäre durch Fußnoten vielleicht besser zu lösen gewesen. Jedoch geschieht es ja nicht so oft und so liest sich das Buch doch sehr schnell. Man möchte ja auch schließlich wissen, wer Samira denn nun gestoßen hat oder ob es tatsächlich nur ein bedauerlicher Unfall gewesen war?
„Asphaltengel“ ist ein wirklich gelungener Roman, der nicht nur ein Familiendrama und eine Coming-of-Age-Geschichte erzählt, sondern auch noch viel über die Problematik von Muslimen in Skandinavien berichtet. Ein sehr interessanter, tiefgründiger Roman, der noch lange zum Nachdenken anregt.