Schwer einzuordnen, aber gut!

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ismaela Avatar

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Ich bin ehrlich: im Buchladen hätte ich das Buch wohl wieder ins Regal gestellt, weil diese Thematik so gar nicht meine ist - aber dank vorablesen wird man praktischerweise regelrecht "gezwungen" auch mal die Fühler nach anderer Literatur auszustrecken.

Ich habe "Asphaltengel" schnell ausgelesen, denn wenn man einmal anfängt, kann man es schwer wieder aus der Hand legen. Das liegt nicht nur an den relativ kurzen Kapiteln, die das Familienleben von Leila abwechseln mal aus ihrer, mal aus der Sicht ihrer älteren Schwester Samira beschrieben wird. Auch die Sprünge in der Zeit - es gibt Rückblenden und die Gegenwart - finde ich überhaupt nicht problematisch, ganz im Gegenteil. Man bekommt dadurch einen Eindruck, warum die Gegenwart eben so ist, wie sie ist. Es liegt vor allem am Thema: der Islam in der westlichen Welt. Die Vorurteile und Schwierigkeiten, die diese Religion provoziert. Sehr beeindruckend fand ich, dass in diesem Roman Aspekte des Islam angesprochen werden, die ich vorher nie so gesehen hätte. Etwa wenn die Mutter, die ja ein Kopftuch trägt, gleich zu Anfang sagt, dass dies kein Symbol der Unterdrückung ist, sondern, im Gegenteil, eine große Freiheit, weil man dadurch selbst entscheiden kann, wieviel andere von einem sehen sollen. Oder auch, wenn sie davon spricht, dass in muslimischen Familien, in denen traditionell die Mädchen und Frauen "minderwertig" sind, zu wenig Islam vorherrscht, denn dieser spricht sich ausdrücklich für die Frau aus. Auch die Gedanken und Erklärungen der Schwestern Leila und Samira und ihrer Freundin Jasmina sind klug und humorvoll, oft auch verbittert und wütend, aber nie polemisch. In der Hinsicht ist dieser Roman ein wahrer Gewinn!

Erschreckt hat mich dann doch der Umgang der Jugendlichen untereinander, und der Schulalltag der 15jährigen Leila hört sich wie ein nicht enden wollender Albtraum an, bei diesem extremen Mobbing, das vor allem die Aussenseiter erwischt, aber auch Leila, die eine Art Hassliebe zu Linda verbindet, mit der sie schon seit Jahren befreundet ist.
Auf teilweise sehr berührende Weise wird die Gefühlswelt der Hauptpersonen dargestellt, nicht nur von Leila, die sich von allen und allem verlassen fühlt, sondern auch die der Mutter, die eine fast schon radikale Muslima geworden ist, oder Samira, die unbedingt ihren eigenen Weg gehen will.

Ich bin sehr froh, dass ich diese Buch vorablesen durfte, es ist toll! Vielleicht ist es nicht nägelkauend spannend, aber dafür vollgepackt mit super Literatur. Lesen!