Zwischen Wahrheit und Wahn(sinn)

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heike lohr Avatar

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Die Figuren aus diesem Thriller sind lebensnah geschilder und zwar alle aus der Sicht von Nile Wrede, die immer wieder - wie der Titel besagt - sich sagen muss: "Atme!" Warum das für sie so wichtig ist? Sie leidet offensichtlich unter Panikattacken, welche sie am besten mit ruhiger Atmung in den Griff bekommt. Das schafft sie durch die liebevolle Behandlung ihres Freundes Ben Godak. Leider ist er gerade in der Anfangsszene mitten aus einer Boutique, in welcher Nile ein Brautkleid anprobiert, verschwunden. Vollkommen irrational und panisch reagiert die Ich-Erzählerin auf das Verschwinden, läuft in voller Panik aus der Boutique, ruft und sucht überall nach ihm, und versucht - nach langem Bemühen erfolgreich - die Verkäuferin der Boutique davon zu überzeugen, die Polizei anzurufen. Sie kann allerdings keine Vermisstenanzeige aufgeben, weil Ben noch nicht von seiner Ehefrau Flo geschieden ist. Auch an diese wendet sich Nile, weil sie über Bens Verschwinden so besorgt ist. Sie schlägt in einem Anfall von Aggression Flo sogar auf die Nase, merkt es erst nachträglich und entschuldigt sich. Trotzdem bleibt ein Schatten auf ihrer Persönlichkeit haften. Allmählich geht aus ihren Erinnerungen - romantheoretisch Rückblenden - ihre schreckliche Vergangenheit hervor: Nile ist seit ihrer Vergewaltigung von ihrem Chef in der Bar schwer traumaisiert, leidet unter Panikattacken und ist auf Benzos, also Beruhigungsmedikamente angewiesen. Diese scheinen eher Wahnvorstellungen (Paranoia) zu verstärken und ihre aggressiven Aussetzer zu begünstigen. Ben erscheint als Retter in ihrem Leben, auch wenn er sich von seiner Frau trennen muss. Seine Freunde sind der Meinung, dass Nile ihn mit ihrer Eifersucht und ihren Gewaltausbrüchen allen entfremdet hat. Diese Spannung von der von Nile erzählten Haltung von Bens Freunden ihr gegenüber sowie seiner Noch-Ehefrau und ihrer eigenen Einstellung dazu sowie ihre Erlebnisse machen diesen Thriller zu einem Verwirr- und Vexierspiel. Ich schwanke zwischen Mitleid und Argwohn zu der Hauptperson hin und her. Wer also hat Recht? Irgendwann kippt die Handlung sowie das Verhalen von Nile. Je mehr Flo mit ihr koopierieren will, desto weniger ist Nile dazu bereit, weil sie Ben vor der Verhaftung retten will. Wer lebendig oder tot ist, kommt erst in den letzten Sätzen heraus. Irgendwie überraschend und doch folgerichtig. Näheres möchte ich nicht verraten, es wäre sonst sinnlos, das Buch nach noch mehr Spoilern zu lesen.