Auf einen Tee in Marokko – Mona Ameziane und ihr Leben zwischen zwei Welten

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Ich bin ja selbst gar nicht mal so der Reisefreund, bin in meinem Leben noch nie mit dem Flugzeug geflogen und kenne sowas wie Fernweh eigentlich überhaupt nicht und doch lese ich unglaublich gerne von anderen Reisen und Bücher über fremde Orte, die mir die Welt auf eine sehr persönliche Art und Weise in Form von Geschichten nahe bringen. So habe ich schon mehrfach Berge bestiegen, Afrika oder Südamerika bereist, habe mich mit Protagonist*innen und Autor*innen durch die Wüste gekämpft, die Natur erkundet oder bin, wie in diesem Fall, einfach mal nach Marokko geflogen. Mona Ameziane erzählt in Auf Basidis Dach von einem wahnsinnig faszinierenden, kulturell bunten und Deutschland sehr gegensätzlichem Land voller Traditionen, Gerüche und Geschmäcker, Leben und irgendwie auch Hürden – eine Reise nach Marokko begleitet von zahlreichen tiefgründigen Gedanken über sich selbst, das Leben und dem Wie wir leben. “…ich möchte mich auf die Suche begeben, was andere immer wieder als meine Wurzeln oder meine Herkunft bezeichnen, das sich für mich aber den Großteil meines Lebens irgendwie weit weg angefühlt hat. Oder noch schlimmer: nach Urlaub.
Sollten Wurzeln nicht eigentlich das Wichtigste für einen Organismus sein? Etwas, das ein Ursprung von allem bildet und niemals vergessen werden darf? Und wieso ist das mit der Herkunft überhaupt so entscheidend? Also für andere. Und für mich.”

Mona Ameziane ist Journalistin und Moderatorin, erzählt unglaublich gerne von Büchern und spricht zahlreich in 1Live mit Autor*innen über ihre auto(fiktiven) Geschichten und Romane. Da war es nur eine Frage der Zeit bis aus ihrer eigenen Geschichte auch ein Buch wurde. Auf Basidis Dach ist allerdings kein Roman, es ist mehr ein Roadtrip in Richtung Familie, Erinnerung und Marokko. Aufgewachsen ist Mona nämlich zwischen zwei Kulturen – sie ist im Ruhrgebiet genauso zuhause, wie in Marokko selbst, zumindest hat sie dort schon als Kind sehr viele Ferien bei ihrer Familie verbracht und nach wie vor zieht es sie regelmäßig zurück. In diesem Buch geht sie nun zahlreichen Fragen nach, macht sich Gedanken über ihre Herkunft, über ihre Privilegien, Marokko, Deutschland ihre Familie und die Schattenseiten der “optisch anderen Herkunft” und erzählt genauso intensiv von den schönsten Momenten ihrer Kindheit, ihren Besuchen in Marokko, ihrer zweiten und liebsten Heimat. In zwanzig Kapiteln nähert sie sich dabei verschiedensten Themen, die sie umtreiben, Erinnerungen hervorrufen oder ein total vielseitig, spannendes Land voller Güte und Traditionen zeigen, an. Es ist wie eine Reise an die unterschiedlichsten Orte, sehr privat und so voller Bilder, Familie, Herzlichkeit, aber eben auch stets von ernsten Themen durchzogen.

“Generell frage ich mich häufig inwiefern ein Land eine Person prägt und verändert. Was wäre anders, wenn sich meine Eltern ein Leben in Marokko aufgebaut hätten? Was hätte es für einen Unterschied gemacht, wenn alles genauso passiert wäre, nur eben 3000 Kilometer weiter südlich?”

Dieses Buch ist eine Entdeckungsreise, eine persönliche Erinnerung, ein Stück weit Reiseführer und Augenöffner zugleich. Man stellt sich bereits binnen weniger Seiten vor, wie Mona selbst einem gegenübersitzt und bei einer Tasse Tee, warmer Abendluft, umringt von fernen Gerüchen und Stimmen, ihre Geschichte erzählt. Und ich denke, jede*r, die*der Mona aus dem Radio oder von Instagram her kennt, wird es ähnlich gehen- Man hat schon nach den ersten Sätzen ihre Stimme im Ohr, nimmt ihre stete Freude und das Glück ihrer Erzählung und Erinnerungen oder bei den ernsteren Themen die Betrübtheit wahr und merkt gleichzeitig wie toll und schwer es ist zwischen zwei doch so unterschiedlichen Ländern und Kulturen aufgewachsen zu sein. Mona erzählt von sehr privaten Momenten und Gesprächen mit ihrem Vater, ihrem Basidi, sucht nach dem, was andere ihr als Herkunft oder Wurzel zuschreiben und nähert sich dabei nicht nur dem Land, aus dem ihre Eltern stammen, sondern auch ein Stück weit sich selbst an. Sie weist in diesem Buch auf viele Missstände hin und guckt hinter die Fassaden “oberflächlicher Orientromantik und rassistischer Stereotype”… Journalistin eben. Aber dieses Buch hat auch so viele tolle Momente, so tiefgründige und ruhige Gedanken über den Menschen, Kulturen, Traditionen… eben das, was wir als unser Leben und Alltag bezeichnen, und ist so locker leicht, unaufdringlich und unterhaltsam, dass es Spaß macht durch die Seiten zu fliegen. Und so stellt man sich auch vor, wie es wohl gerade in Marokko wäre, fühlt das gesellige Beieinander, schlendert mit Mona und ihrem Vater über die Märkte, trinkt Tee und genießt. Alles wirkt plötzlich so vertraut nah und diese einzelnen Geschichten sind so lebendig, so bildlich einnehmend und auch als nicht Reisefreund verspürt man den Drang Marokko live erleben zu wollen. Und genau dafür liebe ich dieses Buch über Mona Ameziane, ihre Familie und eben auch ein wundervolles Land. Würde es nun von Mona geführte Reisetouren geben… ich glaube, ich wäre sofort dabei. Große Empfehlung, großes Highlight aus 2021.