Leben in zwei Welten

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gerwine ogbuagu Avatar

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Wenige Bücher haben es mir so angetan in der Vergangenheit, dass ich sie gleich nochmal von vorn anfangen möchte, wenn ich sie fertig gelesen habe. „Auf Basidis Dach“ gehört nun dazu. Allein Amezianes Schreibstil ist so erfrischend, fließend und fesselnd, dass ich diese Geschichte von Anfang bis Ende ohne Pause gelesen habe, weil ich einfach nicht aufhören konnte. Brillant erzählt sie von einem Leben zwischen zwei Kulturen – der ihres Vaters und der ihrer Mutter. Als kleines Mädchen wurde sie öffentlich befragt woher sie denn käme, ihre spontane Antwort: „Ich komme aus halb Marokko und halb Deutschland.“ Diese und viele andere Themen spricht sie an in ihrem Buch, denn die Frage „Woher kommst Du oder woher kommen Sie?“ ist eine der ersten und bei denen, die befragt werden, eine der unbeliebtesten Fragen überhaupt. Als kleines Mädchen antwortete sie ganz unbefangen.
Basidis Dach ist nicht nur die Dachterrasse von Monas Großvater in Fes, es ist auch eine Metapher für diese Geschichte. Viel geschah und geschieht auf Basidis Dach in dieser Geschichte und der Ausblick von dort geht weit...
Dieses Buch ist deshalb so besonders, weil die Autorin hier einen Geschichtenteppich webt, der so viel zeigt, von ihrer Familie in Deutschland und von Marokko ihrer Familie in Fès. Gegen Ende des Buches thematisiert sie die Kultur des Geschichtenerzählens, die auf dem Platz Djemaa el Fna außer vielen anderen Vergnügungen stattfindet. Dort erlebt sie, dass ihr ein echter Affe auf die Schulter gesetzt wird. Später erscheint dieser Affe ihr in Träumen, von denen sie berichtet. Auch erleben wir mit ihr ein Jahr in Marokko, in Agadir, das sie dort als Austauschschülerin verbringt und hautnah ein anderes Leben als in Fès erlebt. Schulleben und Zusammensein mit ihrer Altersgruppe, Arabisch lernen, eintauchen in eine fremde Welt, eine fremde Gastfamilie. Ihr Buch spricht unendlich viele Themen an. Es vermittelt neben ihren persönlichen Erlebnissen Hintergrundinformationen über das alte und moderne Marokko. Sie beschreibt ungeschminkt ihre Gefühle auf Flugreisen, Ankommen sowie Rückkehren und vermittelt uns einen Blick auf ein Leben, das aus zwei Kulturen besteht, der ihres marokkanischen Vaters und ihrer deutschen Mutter. Ein Fünftel der deutschen Bevölkerung hat Elternteile aus verschiedenen Kulturen. Die meisten sind Deutsche, doch wegen ihres anderen Äußeren werden sie immer wieder neugierig gefragt: “Woher kommen Sie denn?“
Dies ist ein wichtiges Buch dem ich viele Leser*innen wünsche. Im Anhang finden wir ein Quellenverzeichnis, das zum Weiterlesen einlädt sowie ein ausführliches Glossar.