Das halbleere Glas

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wilde hummel 1 Avatar

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Das Buchcover hat ein sehr passendes Design - ein Mann und eine Frau stehen vor einem Hauspiktogramm. Miriam Böttger erzählt in der Ich-Form von ihren Eltern, die uns als ewig unzufrieden, teilweise arrogant, die Mutter zwischen Egozentrik und Depression, beschrieben werden. Die Familie als ein geschlossenes System, die sich darüber einig ist, dass sie in besonderem Maße vom Pech gezeichnet sind. Vor allem die Mutter manipuliert mit ihrer negativen Sicht und kritisiert ihre Umwelt, inklusiv Menschen, die Stadt Kassel und eben auch ihr Zuhause. Wer keinen inneren Frieden hat, braucht eben einen Außenfeind - notfalls auch symbolisch das eigene Haus. Miriam Böttger lässt die Tochter humorvoll ein Psychogramm erstellen, wobei die Tochter irgendwie außen stehend erscheint, als würde sie durch ein Schlüsselloch blicken, unsentimental, teilweise zynisch. Und das ist auch die Schwäche des Romans. Das passt schlecht zusammen, dieser Humor und zugleich auch die Dramatik dieser Familie, die immer nur vor halbleeren Gläsern steht, die keine Freude und Freunde finden kann. Wenn die Mutter sich im Schlafzimmer verbarrikadiert, dann ist dies nicht lustig, sondern tragisch und hier würde mehr Beschreibung, welche Auswirkung dies auf die Tochter als Kind hat und persönliche Betroffenheit der Ich-Erzählerin dem Roman etwas Tiefe und Ernsthaftigkeit geben. Und wenn die Eltern dann das Haus verlassen, wird klar, aus sich selbst können sie nicht ausziehen. Vielleicht ist es auch ein Widerspruch in sich, eine unglückliche Familie humorvoll zu beschreiben und der Sarkasmus verschafft der Erzählerin den Abstand.