Das Haus hat Schuld

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Kassel. Irgendwann kommt für viele der Zeitpunkt, an dem man das Heim der Kindheit aufgibt, damit die Eltern ihren Lebensabend woanders verbringen können. Meistens geschieht das, wenn man als Kind dieser Eltern bereits selbst einen Lebensmittelpunkt gefunden hat. Die Ich-Erzählerin lebt in Berlin und kehrt nach Kassel zurück, um der Mutter beim Auszug aus dem Haus zu helfen. Zwangsläufig erinnert man sich an emotionale Momente. Ein Haus kann davon viele beherbergen.

Miriam Böttger zeigt mit ihrem Roman eine schwierige Situation und lässt mehrere Blickwinkel zu. Die Protagonistin erinnert sich an ihre Kindheit, mit denen der Leser ein, obwohl kindlich gefärbtes, doch eindrucksvolle Bild über das Familienleben erhält. Sie erklärt, wieso die Familie dort wohnte, obwohl die Mutter doch so viele Gründe dagegen hatte. Es stellt sich die Frage, ob ein anderer Wohnort besser gewesen wäre, um glücklicher zu leben. Beim Blick von außen ist es einfach, den Rat eines Umzugs zu erteilen. Aber man steckt eben in einer Familie auch nicht drin und weiß diese vielen kleinen Gefüge nicht, die möglicherweise der eigenen gar nicht ähneln. Als Außenstehender bekommt man nicht alle Emotionen mit, die Ursprünge der Ärgernisse und Streitereien. Wie die Autorin ganz richtig schreibt: »Eigentlich ist jede Familie eine Sekte für sich, mit irgendeiner speziellen Idee oder Wahnvorstellung, um die alles kreist.« Das liest sich aber abwechslungsreich, manchmal humorvoll und manchmal erkennt man glasklar die Tragik.

Die Figuren sind auf den engsten Kreis begrenzt. Es ist meistens ein Dialog zwischen Mutter und Tochter und bei den Erinnerungen auch noch mit dem Vater. Somit lernt man beim Lesen die kleine Familie gut kennen. Die Mutter hatte keinen großen Bekanntenkreis und der Vater war häufig unterwegs. Erwähnt werden noch eine Tante und eine Großmutter. Somit hielt sich das Kommen und Gehen im Haus in Grenzen. Es geht auch nicht so sehr darum, wie es sich in diesem Haus gelebt hat, sondern ob das Haus das Gefühl Heimat und Geborgenheit vermittelt hat. Das hat jeder anders empfunden. Das Haus ist somit zu einer schweigsamen Figur geworden. Je länger man liest, desto bekannter erscheinen die Szenen.

Der Debütroman „Aus dem Haus“ von Miriam Böttger erzählt eine Situation, wie sie täglich auf der ganzen Welt vorkommt. Eine Ära geht zu Ende, wenn das Elternhaus verlassen wird. In diesem Fall birgt es alle Erinnerungen, die die Ich-Erzählerin aus ihrer Kindheit hat und die ihr Leben und das ihrer Familie beeinflusst hat. Tragisch und humorvoll zugleich kann man sich einfühlen und ein eigenes Resümee ziehen.