Irgendwie gehört doch jeder in Behandlung...

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Miriam Böttgers Roman "Aus dem Haus" ist eine Mischung aus alltäglichem Chaos und tiefgründiger Familienpsychologie. Im Zentrum steht das HAUS in Kassel, das nicht nur der Wohnort der Familie, sondern fast schon eine eigene Figur im Roman ist. Es ist ein Ort, der den Mitgliedern jegliche Lebensfreude raubt, sie aber gleichzeitig in einer beklemmenden Art und Weise zusammenhält.

Die Erzählung, die aus der Sicht einer namenlosen Ich-Erzählerin geschildert wird, verläuft scheinbar ereignislos und doch voller emotionaler Geladenheit. In kurzen, prägnanten Kapiteln wird der Umzug der Eltern aus dem ungeliebten Haus beschrieben, wobei die Rückblicke auf die Vergangenheit allmählich offenbaren, dass das Haus zwar Auslöser für die familiären Spannungen sein könnte, jedoch nicht deren Ursache. Im Gegenteil, der Umzug in eine neue Umgebung zeigt, dass die Probleme der Familie tiefer liegen und sich nicht durch einen Ortswechsel beheben lassen.

Besonders eindrucksvoll ist die Figur der Mutter, die unter Migräne und einer lähmenden „Zeitpanik“ leidet – eine ständige Angst vor dem unaufhaltsamen Verstreichen der Lebenszeit. Ihre pessimistische Grundhaltung beeinflusst das gesamte Familiengefüge, wobei alle anderen Familienmitglieder in den Hintergrund treten. In dieser Dynamik offenbart sich die zentrale These des Romans: „Eigentlich ist jede Familie eine Sekte für sich.“ Diese Erkenntnis zieht sich durch die gesamte Handlung und zeigt, wie jede Familie ihre eigene kleine Welt mit eigenen Regeln und Strukturen bildet – oft auf Kosten der individuellen Bedürfnisse.

Böttger gelingt es, die Absurdität und zugleich die Realität familiärer Beziehungen mit einer herrlich ironischen Erzählweise darzustellen. Die Ich-Erzählerin beschreibt die Ereignisse mit einem sarkastischen Unterton, der dem Leser oft ein Schmunzeln entlockt, während man gleichzeitig die Tragik der Situationen körperlich spüren kann.

Persönliches Fazit: Ich könnte mir die Geschichte als fortlaufende Kolumne besser vorstellen. Das Buch ermüdet irgendwann durch den vorherrschenden Ton der Negativität und der sich wiederholenden Handlungen. Von daher - trotz all der genial formulierten Tiefgründigkeit - "nur" vier Sterne.