Unglückshaus und kollektive familiäre Dachschäden

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ellus Avatar

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"Eigentlich ist jede Familie eine Sekte für sich", eine großartig treffende Beobachtung, zwischen so vielen treffenden, scharf beobachteten zwischenmenschlichen und vor allem familiären Szenen - wie und worüber definieren sich Menschen, und besonders Familien, für den inneren Zusammenhalt und die Abgrenzung nach außen?
Hier ist es das Unglückshaus, das zugleich problematisches Familienmitglied und der entscheidende Endgegner ist, indem es die Probleme der Familie quasi personifiziert. Also was macht es mit der Familie, wenn sie eben dieses Haus, das Zentrum ihrer persönlichen Familiensekte, verlassen wollen, es verlassen haben?
Was ist die Familie, wenn sie durch den (folgerichtigen?) Auszug aus dem verhassten Haus dieses identitätsstiftende Element verliert, dieses HAUS, welches sie gleichzeitig vereint und gegeneinander aufgestellt hat? "Denn was ist eine Unglückssekte schon ohne ihr Unglückshaus, ohne den Ort ihrer Religionsausübung?"

Wenn man die eigene Familie(nsekte) wiedererkennen sollte, die eigenen alternden Eltern, oder sich selbst, als erwachsenes Kind, welches schon längst "aus dem Haus" ist, in den familiären Eigenarten und Verhaltensweisen, trifft das Buch durchaus sehr emotional und regt definitiv zum Nachdenken und Reflektieren über die eigenen, weitergegebenen Arten der "Religionsausübung" an.
Dabei wird es durch Miriam Böttgers speziellen Stil nie zu schwermütig, sondern bleibt sehr amüsant.
Nur was die Stadt Kassel, die Kasseler und Kasselaner von diesem Buch halten, weiß ich nicht, denn sie kommen, als räumliche Erweiterung des Unglückshauses, als Unglücksstadt, wirklich nicht gut dabei weg.