Ausgesoffen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
multireader Avatar

Von

Als erfolgreicher Filmemacher hat er einen 17-Stunden-Tag und steht ständig unter Strom. Der Alkohol wird zum Seelentröster, entspannt und euphorisiert zugleich. Für eine TV-Dokumentation begleitet er Boris Becker ein Jahr lang um den Globus. Der Bruder des bekannten Hochspringers wird zum Grenzgänger. Sein Leben kippt in die Sucht: ausschweifende Partys, Premierenfeiern, durchsoffene Nächte, Bordellbesuche, Linienziehen auf der Herrentoilette. Mit 2,4 Promille checkt er schließlich in einer Privatklinik zur stationären Entgiftung ein. Weitere Rückfälle folgen, bis er endlich einsieht: "Ich muss mein Leben komplett ändern" Ein Buch über Größenwahn und Vesagensängste, über Abstürze, Lügen und schmerzhafte Einsichten.

Bernd Thränhardt beschreibt seinen Weg vom Gewohnheitstrinker, dem der Alkohol hilft, wenn die Nerven angespannt sind und die Magenwände vor Aufregung flattern, bis hin zum totalen Absturz und der traurigen Erkenntnis: Ich bin Alkoholiker, ich kann nicht mehr ohne den Stoff. Rücksichtslos offen und ehrlich lässt er den Leser die einzelnen Stationen einer Säuferkarriere miterleben, beschreibt das Elend der Familie, die unter seinen Saufeskapaden und seinen ständigen Rückfällen leidet und hilflos ansehen muss, wie sich der Sohn und Bruder zerstört. Der Autor beschreibt den täglich Kampf gegen den Alkohol, den er immer nur verlieren kann, genauso realistisch wie die Taktiken, um sein Trinken zu verheimlichen, und die Erklärungs- und Verschleierungsversuche gegenüber der Familie, Freunden und Geschäftspartnern

Der erste Aufenthalt in einer Privatklinik bringt nicht den gewünschten Erfolg, es bedarf noch etlicher weiterer Anläufe, um vom Alkohol loszukommen. Erst als Bernd Thränhardt seinen Tiefpunkt erreicht hat er eine Chance. Diese nutzt er und beginnt ein neues Leben ohne Alkohol und ohne Kokain. Nach den anfänglichen Rückfällen in alte Verhaltensmuster und damit zurück in die Trinkerei gelingt es ihm endlich, ein abstinentes Leben zu führen.

Ohne Beschönigung schreibt er nieder wie ihm der Weg aus der Sucht gelungen ist. Auch auf dem Weg in die Abhängigkeit lässt er nichts aus, zeigt vielmehr dem Leser das volle Programm in Richtung Abgrund. Das Buch besticht durch seine Authentizität. Dennoch wird es aus meiner Sicht nicht gelingen, auch nur einen Alkoholiker durch die Lektüre des Buches vom Trinken abzuhalten bzw. ihn trocken zu legen. Und jemand, der kein Problem mit Alkohol hat, kann das, was Herr Thränhardt beschreibt sowieso nicht nachvollziehen.

Mein Fazit lautet deshalb: Sollte es dem Autor durch das Schreiben gelungen sein, seine "gründliche und furchtlose Inventur in seinem Innern" gemacht zu haben, dann hat das Buch seinen Zweck erfüllt.