Beeindruckend!

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linus63 Avatar

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Dass in der Welt des Ruhmes, der Schönen und der Reichen auch nicht immer alles zum besten steht, ist durch die Medien allgemein bekannt. Ein Beispiel hierfür ist auch Bernd Thränhardt, der in seinem Buch "Ausgesoffen" offen berichtet, wie er sein Leben auf der Überholspur in diesem Umfeld genoss, bis er sich eingestehen musste, Alkoholiker zu sein und was es bedurfte, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Thränhardt ist ein intelligenter und willensstarker Mensch mit einem starken Bezug zu seiner Familie. Obwohl ihm in jungen Jahren der Alkohol zunächst nicht wirklich schmeckt, findet er während seiner Studentenzeit zunehmend Gefallen daran. Er bemerkt, dass er ihm einerseits hilft, Unsicherheit und Nervosität abzubauen, was ihm bei seiner Arbeit als erfolgreicher Journalist und Filmemacher den Umgang mit bekannten Persönlichkeiten erleichtert. Darüber hinaus genießt er aber auch die lockere und unbeschwerte Stimmung, in die ihn der Alkohol versetzt, die ihn häufig auf Feiern in den Mittelpunkt rücken lässt. Dank seiner guten Konstitution und der Unterstützung aus seinem Umfeld bekommt er ausschweifende Partys, Kokainkonsum, Bordellbesuche und durchsoffene Nächte noch einige Zeit mit seiner Arbeit unter einen Hut. Der Übergang vom Gewohnheitstrinker zum Alkoholiker verläuft fließend und für ihn unbemerkt. Er lebt sein Leben immer exzessiver, bis er sich schließlich selbst nichts mehr vormachen kann.

Bernd Thränhardt fesselt von Anfang an, indem er seinem Bericht einen Auszug aus der Phase voranstellt, als ihn der Alkohol fest im Griff hatte: der nächtliche Gang zur Tankstelle, um Nachschub zu besorgen, die Uhr als Pfand hinterlegt, wenn das Geld zu Hause lag, die Gier stärker als die Scham und von Würde keine Spur mehr. Er schreibt klar, verständlich, fesselnd und nachvollziehbar, wodurch das Buch sehr gut zu lesen ist und ich es innerhalb von 24 Stunden beendet habe. Ausgehend von seiner Kindheit schildert Thränhardt chronologisch, wie sich eins aus dem anderen ergibt. Die Hilflosigkeit seiner Familie, die seinen Zustand wesentlich früher realisierte als er selbst, ist dabei ebenso klar erkennbar, wie der Kraftakt, den er vollbringen musste, um wieder trocken zu werden. Faszinierend finde ich insbesondere seinen schrittweisen Weg aus der Sucht, der sich letztendlich zum Lernprozess mit absoluter Ehrlichkeit sich selbst gegenüber und bedingungsloser Verfolgung des Ziels der Abstinenz entwickelt. Selbsterkenntnis, anfangs das starre Gerüst der Anonymen Alkoholiker und Hilfe anderer Betroffener, sein starker Wille und das schrittweise Lernen des Umgangs mit verschiedenen, insbesondere Krisensituationen, waren hierbei unabdingbar. Die offene Schilderung seines einmaligen Rückfalls, nachdem er eigentlich schon trocken war, zeigt, was Schlüsselerlebnisse auslösen können, selbst wenn der Alltag bereits im Griff ist. Eine grundlegende Erkenntnis ist sicher, dass jeder lernen muss, mit seinem eigenen Schicksal umzugehen. Trotz all der Tragik in seinem Lebenslauf verfällt er weder in Selbstmitleid, noch begeht er Schuldzuweisungen, sondern er übernimmt die Verantwortung für seine Fehler und für sein heutiges Leben, was ich sehr sympathisch finde. Dabei kommt auch seine Dankbarkeit seinem engen Umfeld gegenüber zum Ausdruck, die ihm seine Aussetzer vergaben und ihm in der schwierigen Zeit immer wieder geholfen haben.

"Ausgesoffen" ist ein beeindruckendes Buch, für jedermann, aber auch für Abhängige. Es bringt einerseits klar zum Ausdruck, dass Alkoholismus wirklich eine Krankheit ist, die man nicht so einfach los wird. Andererseits zeigt es aber auch, dass ein Weg aus dieser Krankheit möglich ist, den aber jeder Betroffene für sich selbst finden, mit eisernem Willen gehen und auch Rückschläge wegstecken muss. Sehr empfehlenswert!