Lässt Raum für mehr

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„Austrian Psycho“ ist kein typisches True-Crime-Buch: Anstatt dem Täter chronologisch zu folgen oder ein Verbrechen rückwirkend aufzuklären, widmet sich das schmale Bändchen dem Wirken und der Wirkung des österreichischen Serienmörders Jack Unterweger nach seiner Verurteilung und seinem Gefängnisaufenthalt. Eine interessante Entscheidung des Autors Malte Herwig, die gleichwohl einige Fragen offenlässt.

In drei Teilen dröselt Malte Herwig Unterwegers Weg vom verurteilten Mörder zum gefeierten Autor und zurück zum verurteilten Mörder auf und hinterfragt, wie es dazu kommen konnte (und wie authentisch dieses geradezu märchenhafte Narrativ überhaupt ist). Dabei schreibt Herwig teilweise nicht als er selbst, sondern nimmt die Rolle eines Autors ein, der Unterweger wie so viele im deutschsprachigen Literaturwesen auf den Leim gegangen ist – jemand, der an seine Rehabilitation glaubt und nicht zuletzt Unterwegers literarische Fähigkeiten nicht infrage stellt. Dabei steht, so deckt Herwig auf, gerade Unterwegers schriftstellerisches Können durchaus auf dem Prüfstand, wenn man genau hinsieht und die Menschen betrachtet, die Unterweger zu seinem Status verholfen haben. Dass der Journalist Herwig diesen fiktiven Ich-Erzähler, der Unterwegers Geschichte erzählt, dann mit Belegen konfrontiert, die Unterwegers Schuld oder seine Lügen nachweisen, macht die Erzählweise so interessant.

„Austrian Psycho“ ist ein ungewöhnlich erzähltes Sachbuch, das nicht durch eine detaillierte Nacherzählung von Gräueltaten zu schocken versucht, sondern die gesellschaftliche Reaktion auf einen Serienmörder in den Fokus nimmt. Das verleiht dem Werk deutlich mehr Seriosität als vielen anderen Vertretern seines Genres. Durch diesen Ansatz und die sehr knappe und vom fiktiven Erzähler persönlich gefärbte Erzählweise bedingt klaffen jedoch auch größere Lücken in Unterwegers Biografie. Gerade der Einstieg ins Buch fällt schwer für Lesende, die von Unterweger zuvor nichts gehört haben und nun quasi mitten in die Geschichte geworfen werden. Insgesamt erzählt das Buch eher episodenhaft mit vereinzelten Schlaglichtern auf bestimmten Personen und Ereignissen und gibt kein vollständiges Bild von Unterweger wieder.

Ein originell konzipiertes True-Crime-Sachbuch, das jedoch einige Fragen offenlässt.