Eine unkonventionelle Beziehung zwischen Mutterschaft und Selbstbestimmung

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nessabo Avatar

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Ich mochte „Ava liebt noch“ richtig gern, auch wenn die Protagonistin einen Lebensstil fern meines eigenen hat. Der Roman dreht sich vor allem um Mutterschaft, das Verschwinden einer Mutter in ihrem Kümmern um andere und die Frage, wo die Grenze verläuft zwischen eigenen Bedürfnissen und der Verantwortung für (erwachsene) Kinder.

Die Protagonistin Ava hat drei Kinder in einer eingeschlafenen Ehe und beginnt im Alter von 43 Jahren eine Affäre mit dem 19 Jahre jüngeren Kieran. Ich hatte vor der Lektüre Bedenken, dass der Altersunterschied eine Machtdynamik mit sich bringen könnte, aber Vera Zischke hat das für mein Empfinden sehr gut umgesetzt. Die Beziehung der beiden erstreckt sich über einen großen Zeitraum, sodass auch Liebe und Sexualität im Alter eine Rolle spielen, was ich großartig fand.

Es ist spürbar, dass die Autorin weiß, von was sie schreibt. Sie schafft es, Ava ihre Enttäuschung über Mutterschaft ausdrücken zu lassen ohne ihren Kindern daran die Schuld zu geben. Sie zeigt, wie leicht Mütter innerhalb heterosexueller Beziehungen wieder in eine Rollenaufteilung aus den 50ern verfallen, weil es anders so viel herausfordernder ist und von den dazugehörigen Männern auch nichts proaktiv dagegen getan wird (bei manchen Äußerungen des Ehemannes hätte ich fast ins Buch gebissen 🤬). Und sie zeichnet Ava als eine vielschichtige Figur, die in der Gratwanderung zwischen eigenen Bedürfnissen und Verantwortlichkeit unterschiedliche Entscheidungen trifft. Nicht immer konnte ich sie persönlich nachvollziehen, jedoch immer respektieren.

In manchen Kapiteln kommt auch Kieran zu Wort und das hat mich manchmal etwas aus dem Lesefluss gebracht, weil alles aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, der Wechsel der Sichtweise sich jedoch nur aus dem Kontext erschließt. Trotzdem mochte ich es, sein Leben dadurch noch etwas besser kennenzulernen und halte den Wechsel für absolut notwendig im Verlauf der Handlung.

Ich fand den Debütroman total authentisch und wichtig darin, Müttern einen Handlungsraum außerhalb von und parallel zur Mutterschaft zu geben. Er war total leicht zugänglich, emotional vielschichtig und einfach eine wirklich schöne Lektüre.

4,5 ⭐️