Baba Dunjas letzte Liebe

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
florinda Avatar

Von

Alina Bronski: Baba Dunjas letzte Liebe

Produkt/Autoreninformation lt. AMAZON:
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
Verlag: Kiepenheuer&Witsch (17. August 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3462048023
ISBN-13: 978-3462048025
Alina Bronsky, geboren 1978 in Jekaterinburg/Russland, lebt seit Anfang der 90er-Jahre in Deutschland. Ihr Debütroman Scherbenpark wurde zum Bestseller, ist inzwischen beliebte Lektüre im Deutschunterricht und wurde fürs Kino verfilmt. Es folgten die Romane Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche und Nenn mich einfach Superheld. Die Rechte an Alina Bronskys Romanen wurden in 15 Länder verkauft. Sie lebt in Berlin.

Inhaltsangabe lt. Verlag:
Baba Dunja ist eine Tschernobyl-Heimkehrerin. Wo der Rest der Welt nach dem Reaktorunglück die tickenden Geigerzähler und die strahlenden Waldfrüchte fürchtet, baut sich die ehemalige Krankenschwester mit Gleichgesinnten ein neues Leben auf. Wasser gibt es aus dem Brunnen, Elektrizität an guten Tagen und Gemüse aus dem eigenen Garten. Die Vögel rufen im Niemandsland so laut wie nirgends sonst, die Spinnen weben verrückte Netze, und manchmal kommt sogar ein Toter auf einen Plausch vorbei. Während der sterbenskranke Petrov in der Hängematte Liebesgedichte liest, die Gavrilovs im Garten Schach spielen und die Melkerin Marja mit dem fast hundertjährigen Sidorow anbandelt, schreibt Baba Dunja Briefe an ihre Tochter Irina, die Chirurgin bei der deutschen Bundeswehr ist. Und an ihre Enkelin Laura. Doch dann kommen Fremde ins Dorf – und die Gemeinschaft steht erneut vor der Auflösung. Alina Bronsky lässt in ihrem neuen Roman eine untergegangene Welt wieder auferstehen. Komisch, klug und herzzerreißend erzählt sie die Geschichte eines Dorfes, das es nicht mehr geben soll – und einer außergewöhnlichen Frau, die im hohen Alter ihr selbstbestimmtes Paradies findet. Auf kleinem Raum gelingt ihr eine märchenhafte und zugleich fesselnd gegenwärtige Geschichte.

Meine Meinung:
Als damals in Tschernobyl der GAU, der größte anzunehmende Unfall, geschah, der dann auch schnell zum SuperGAU nochgestuft wurde, war ich in einem Alter, in dem man von derartigen Ereignissen voll bewusst betroffen, ja, auch auf gewisse Weise geprägt wird. Ich erinnere mich gut an die Meldungen der Tagesschau und an die wöchentlich erscheinenden Heftchen, in denen die Bequerelangaben neben der Chargennummer beispielsweise der Miracoli-Packungen stand. An die Besorgnisse der werdenden oder auch jungen Mütter, an die beschwichtigenden Worte der Politiker (während sich ein CSU-Häuptling auf seinem Privatgrundstück die obersten Zentimeter Erdreich abtragen ließ, da dort der Regen eingesickert war). Andere Ereignisse in meinem Leben wurden ab da lange in eine Zeit "vor" und "nach" eingeteilt. Mit diesem Hintergrund war ich auf dieses Buch von Alina Bronski - soweit ich mich erinnern kann, ist es mein erstes von ihr - natürlich ganz besonders gespannt.
Die Geschichte als solche ist eigentlich simpel, sie wird auch in einfachen Worten erzählt. Ist leicht lesbar. Besondersartig ist hingegen die Sicht von Dunja Baba selbst. Eine den Leser ab der ersten Seite bei der Stange haltende Mischung von Nüchternheit, gepaart mit Humor, Lebensweisheit, feiner Ironie und einer gewissen Bauernschläue. Und vor allem Dickköpfigkeit.
Sie wollte sich von ihrer in Deutschland lebenden Tochter Irina nicht davon abhalten lassen, in das verstrahlte kleine Dorf zurück zu kehren. Dort versorgt sie sich mit Produkten des eigenen Gartens, tauscht gelegentlich auch mit den Nachbarinnen, und fährt ganz selten in eine umständlich erreichbare Stadt zur Auffrischung der Dauervorräte oder für plötzlich und/oder unerwartet dringend benötigte Einzelkäufe. Einziges wirkliches Ärgernis war Nachbarin Marjas die morgendliche Ruhe störender Hahn "Konstantin". Mit den Spinnen in ihrem Haus arrangiert sie sich hingegen hervorragend. Traurig ist sie nur darüber, dass sie wohl niemals ihre Enkelin Laura persönlich kennen lernen wird. Die weite Reise kann sie sich aus Altersgründen nicht mehr zumuten und Laura möchte sie nicht der Strahlenbelastung aussetzen. Nicht einmal Briefe können ausgetauscht werden, denn Laura versteht kein Russisch und Dunja Baba kein Deutsch.
So plätschert das Leben dahin, bis eines Tages ein Vater mit seiner Tochter ins Dorf kommt...
Eine schöne Geschichte, berührend, aber nicht kitschig. Leseempfehlung!