Wo meine Wiege stand - da ist mein Heimatland! Oder doch nicht?

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tochteralice Avatar

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Heimat - das ist ein ganz subjektiver Begriff. Die meinige befindet sich in Riga in Lettland. Ich habe dort nie eine Wohnung gehabt und mich dort nicht länger als zwei Monate am Stück aufgehalten, aber das ändert nichts daran, dass ich mich dort am meisten zu Hause, am meisten bei mir fühle.

Für Baba Dunja, Alina Bronskys Heldin - und zwar eine Heldin im allerwahrsten Sinne des Wortes - ist die Heimat an einem Ort, an dem kaum jemand sein will, nämlich in Tschernowo. Das liegt in der Todeszone rund um Tschernobyl, die nach dem Reaktorunglück geräumt und nie wieder besiedelt wurde - aber einige wenige sind aus freiem Willen zurückgekehrt und leben hier so vor sich hin.

Die Sache ist die, dass sie überhaupt nirgendwo anders hin wollen, es genügt ihnen das, was sie hier haben. Das kann zwar kaum jemand von außen verstehen, aber solange niemand diese Heimat abspenstig machen will, stört sie das nicht weiter.

Genau - solange! Denn auf einmal passiert etwas und die Polizei ist da. Und es entwickelt sich eine Solidarität, die vor allem Baba Dunja ganz tief in ihrem Herzen empfindet und die sie für die anderen einstehen lässt - ob diese es nun wollen oder auch nicht.

Baba Dunja ist eine Wahnsinnsfrau - sie ist auf ihre eigene Art tollkühn, ja wahnsinnig und will einfach ihr Leben so leben, wie es ihr passt. Nicht so, wie ihre Tochter Irina, Ärztin im fernen Deutschland, sich das vorstellt und auch nicht so, wie es die Menschen in der Stadt sich für sie ausmalen.

Und irgendwann wird klar: auch anderswo kocht man nur mit Wasser und zwar in vielerlei Hinsicht. Und es ist nicht einmal immer Minze drin, wie es bei Baba Dunja stets der Fall ist!

Ein kleines Buch mit großem Inhalt: Alina Bronsky schreibt spritzig, tragikomisch - und vor allem unglaublich originell. Sie ist die einzige mir bekannte Autorin, die es vermag, aus wenigen Worten einen blumigen, ja wilden Stil zu kreieren und das ist eine Kunst, die man nicht lernen kann - sie ist tief in einem drin verwurzelt sowie Baba Dunja es in der Gegend um Tschernowo ist.

Ein Buch, das auf besondere, spezielle Weise in sich ruht, mit sich in einem ist - obwohl es lebhaft, überraschend und aufwühlend wirkt. Aber auch auf eigenartige Art und Weise beruhigend. Auf mich jedenfalls, denn es bringt mich - zumindest in Gedanken - dahin, wo ich hingehöre und damit zur Ruhe. Heimat ist ein Gefühl, das jeder für sich entwickelt und das keiner ihm nehmen kann. Eine unbedingte Leseempfehlung von mir!