Neue Kriminalität im Nordosten Italiens

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buecherfan.wit Avatar

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Im Mittelpunkt von Massimo Carlottos Roman “Banditenliebe” stehen die Freunde Marco Buratti, Max La Memoria und der alte Schmuggler und Killer Beniamino Rossini. Marco und Max betreiben die Kneipe Der Winkel, wo sie auch ihre Geschäfte als Privatermittler ohne Lizenz abwickeln. Eines Tages sollen sie für einen Unbekannten herausfinden, wer hinter dem Raub von einer großen Menge von Betäubungsmitteln aus dem Rechtsmedizinischen Institut der Stadt Padua zwei Jahre zuvor steckte. Sie lehnen den Auftrag ab, obwohl der unbekannte Mittelsmann immer größeren Druck auf sie ausübt. Um ihn loszuwerden, stellen sie ihm eine Falle, und Rossini tötet den Mann in Notwehr.

Zwei Jahre später holt diese alte Geschichte sie ein, als Rossinis Freundin, die Bauchtänzerin Sylvie, entführt wird und in ihrem Auto der Ring des getöteten Mittelsmannes hinterlegt wird. Die drei Freunde setzen alle Hebel in Bewegung und investieren sehr viel Geld, um die Entführte zu finden. Sie befreien sie schließlich aus einem sehr speziellen Bordell in Frankreich, wo sie über einen langen Zeitraum gefangen gehalten und vergewaltigt worden ist. Damit ist die Angelegenheit jedoch nicht aus der Welt geschafft. Die Freunde müssen sich nach dieser Aktion verstecken. Rossini sinnt auf Rache, und seine Freunde helfen ihm, die nötigen Informationen zu beschaffen - unter Einsatz ihrer gesamten Vermögenswerte.

Was folgt, ist eine sehr komplizierte Geschichte, in der meist nicht so ganz klar ist, wer mit wem kooperiert, und in welcher Weise staatliche Stellen und Polizisten  beteiligt sind. Verwickelt sind auf jeden Fall die serbische und die kosovarische Mafia und eine Reihe von korrupten Polizisten. Die Polizei kommt nicht sehr gut weg in diesem Roman. Carlotto kann sich den süffisanten Hinweis nicht verkneifen, dass der Job des Ordnungshüters ungemein beliebt ist - nicht etwa, weil den Menschen Recht und Ordnung wichtig sind, sondern weil sich da ein üppiges Zubrot verdienen lässt, das ein Leben im Wohlstand garantiert.

Der Krimi ist interessant und gut lesbar, aber nicht besonders spannend und teilweise ziemlich undurchschaubar. Der Autor greift auf eine Fülle von Informationen zurück, die er den vielfältigen Verbindungen verdankt, die er während seiner Flucht und seines sechsjährigen Aufenthalts im Gefängnis geknüpft hat, wo er zu Unrecht wegen Mordes einsaß. In einem Interview hat Carlotto neulich gesagt, dass im Nordosten Italiens ein wahres Laboratorium für neue Formen der Kriminalität entstanden ist, wo Wirtschaft, Finanzwelt und Politik sowie die kosovarische und serbische Mafia und die Mafia aus dem Osten bei einer Geldwäsche von gigantischem Ausmaß zusammenwirken. Bestsellerautor Carlotto schreibt Krimis in einem Land, in dem es keinen investigativen Journalismus gibt und wo die Menschen Informationen zu Umweltskandalen und Missständen aller Art ausgerechnet in einem Genre suchen, das traditionell dem Bereich “Fiktion” zuzurechnen ist. Für seinen neuesten Roman “Tödlicher Staub” hat er auf  Bitten Betroffener auf Sardinien recherchiert. Dort ist über lange Zeit hochgiftige panzerbrechende Munition auf einem Truppenübungsplatz getestet worden, und Menschen sind nachweislich an diesem Gift gestorben. Nach der Veröffentlichung seines Buches wird es den Politikern nicht mehr möglich sein, diesen Skandal unter den Teppich zu kehren.

Wegen des gesellschaftspolitischen Hintergrunds von Carlottos Romanen scheint es logisch, dass Spannung und Unterhaltung wohl nicht vorrangiges Ziel des Autors sind, sondern dass es ihm um Aufklärung und Änderung der Verhältnisse geht. Mir hat der Roman trotzdem gefallen.