Bewegendes Debüt

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matheelfe Avatar

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„...Wut ist anstrengend. Wenn man an ihr festhält, saugt sie einem das Leben aus...“

Genau das erlebt Joe, der zum Volk der Mi‘kmaq gehörte. Wie war es dazu gekommen?
Die Autorin hat einen bewegenden Roman geschrieben. Erzählt werden zwei Lebensgeschichten, die sich zu Beginn und am Ende berühren. Der Schriftstil ist leise und legt viel Wert auf die Gefühle der Protagonisten. Die Geschichte wird einmal aus der Sicht von Joe, einmal aus der von Norma erzählt. Dabei ist dem Lesenden schnell klar, dass Norma die verschwundene Ruthie ist.
Jedes Jahr, so auch im Jahr 1962, reist Joes Familie von Kanada nach Maine, um dort Beeren zu pflücken. Joes Vater organisiert die Arbeiten. Eines Tages ist die vierjährige Ruthie, die jüngste Tochter der Familie, verschwunden. Joe war derjenige, der sie zuletzt gesehen hat.

„...Schon komisch, an was man sich erinnert, wenn irgendwas schiefgeht. Etwas, das man unter normalen Umständen sofort vergessen würde, bleibt einem dann für immer in Erinnerung…“

Die Polizei fühlt sich nicht zuständig. Die Suche der Pflücker bleibt erfolglos. Bei Ruthies Mutter bleibt eine tiefe Wunde zurück. Es sollte nicht die letzte bleiben.
Norma lebt bei der Familie eines Richters. Jahrelang plagen sie Träume, die sie sich nicht erklären konnte.

„..Ich versuchte, mit meinem Vater über die Träume zu sprechen. Obwohl er jedes Mal eine vernünftige Erklärung parat hatte. Konnte ich den Traum nicht wegstecken...“

Die Mutter ist überfürsorglich und reagiert auf ungewollte Fragen mit Kopfschmerzen. Norma lebt in dem Kokon des Hauses, das sie nur selten außerhalb der Schule verlassen darf. Es gibt eine Mnge Anzeichen, dass etwas nicht stimmt.
Mit Joes Familie gewinne ich einen Einblick in das Leben der First Nation. In Joe kocht nach dem Erleben eine ungezügelte Wut, die in manchen Augenblicken sein Handeln bestimmt. Immer wieder geht es um Schuld und Vergebung. Auch ethische Fragen werden an vielen Stellen berührt.
Am meisten beeindruckt in der Geschichte hat mich Joes Mutter. Sie hat ein großes Herz, tut, was getan werden muss, und verliert nie die Hoffnung.
Bei Normas Mutter klingt das ganz anders.

„...Wenn meine Mutter etwas unglaublich gut beherrschte, dann Schuldgefühle auslösen. Schuldgefühle auslösen, begleitet von einem Putzfimmel. Ich träumte, und sie putzte. Und wenn sie putzte, fühlte ich mich schlecht...“

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie tief manche Verletzungen gehen, die das Leben mit sich bringt.