Verloren, gesucht, gefunden – Was bleibt, wenn ein Kind verschwindet?
"Ich habe meine Schwester verloren, als ich sechs war. Ich ließ meinen Bruder sterben, als ich fünfzehn war, und vor zwei Wo-chen habe ich meine Frau blutig geschlagen und verletzt zurück-gelassen. Das ist meine Geschichte." (Buchzitat, S. 208)
Amanda Peters, selbst mit Mi'kmaq- und Siedlerabstammung, legt mit "Beeren pflücken" ein eindrucksvolles Romandebüt vor, das bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Der Debütroman hat nicht nur den Barnes & Noble Discover Prize und die Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction gewonnen, sondern wurde auch für den Amazon First Novel Award nominiert. Die in Nova Scotia lebende Autorin ist Absolventin des renommierten Master-of-Fine-Arts-Programms am Institute of American Indian Arts und verarbeitet in ihren Texten eindrucksvoll die Perspektiven und Erfahrungen der Mi’kmaq-Kultur.
Worum geht’s genau?
Im Sommer 1962 verschwindet in Maine die vierjährige Ruthie, ein Mi'kmaq-Mädchen, spurlos. Zurück bleiben ihr Bruder Joe, der sie zuletzt gesehen hat, und eine Familie, die an der Ungewissheit zerbricht. Jahrzehnte später lebt Norma in einer wohlhabenden, aber emotional kalten Familie – ohne zu wissen, dass ihre Geschichte mit Ruthies Verschwinden verknüpft ist. Als sie spürt, dass etwas nicht stimmt, beginnt eine lange Suche nach der eigenen Herkunft, bei der Hoffnung, Schuld und Vergebung eng miteinander verflochten sind.
Meine Meinung
„Ich hätte Brüder und Schwestern haben können, ich hätte in einem Haus leben können, wo die Fenster offen waren, wo gelacht und gestritten wurde und man sich wieder versöhnt hat.“ (S. 278) – Mit diesem Zitat beginnt für mich die emotionale Tiefe dieses Romans. Beeren pflücken ist ein bewegendes Buch über Verlust, Schuld und die zähe Suche nach Zugehörigkeit. Amanda Peters schreibt eindringlich und doch angenehm flüssig. Ich habe das Buch in zwei Tagen verschlungen – der Hype in meiner Buchbubble war berechtigt, auch wenn es für mich kein Lesehighlight war.
Die abwechselnde Erzählperspektive zwischen Norma und Joe bringt eine interessante Dynamik in die Geschichte. Besonders Norma/Ruthies Sicht empfand ich als sehr zugänglich und authentisch. Joe hingegen bleibt mir durch seine selbstzerstörerische Art stellenweise fremd, auch wenn seine Verzweiflung nachvollziehbar ist. Dennoch hätte ich mir zusätzlich Perspektiven von Ruthies und Joes Mutter oder ihren Geschwistern gewünscht – das hätte den Roman emotional noch reicher gemacht.
Besonders stark finde ich, wie das Thema Schuld verarbeitet wird. Da ist einerseits Joe, der sich die Schuld am Verschwinden seiner Schwester gibt, weil er sie zuletzt gesehen hat und auch seinem Bruder nicht zur Hilfe eilt, als er es am dringendsten benötigen würde. Norma wiederum, wächst im Schatten einer gelebte Lüge auf und ist ständig mit den Verlustängsten ihrer Mutter konfrontiert. Die familiären Beziehungen, vor allem Mae (Joes und Ruthies Schwester) – meiner absoluten Lieblingsfigur – geben dem Roman einen lebendigen, rebellischen Puls. Mae spuckt nicht nur in den Kaffee rassistischer Männer (S. 124), sondern hält die Familie mit ihrer stillen Kraft zusammen.
Die Themen, die Peters behandelt, sind vielfältig und tiefgründig: der Tod von Geschwistern, der Schmerz über Fehlgeburten, queere Identität, der Rassismus gegenüber den Mi'kmaq, die Sprachlosigkeit nach Verlust und die Frage, wie viel ein Mensch tragen kann, bevor er zerbricht.
Fazit
Ich vergebe 4 von 5 Sternen. Amanda Peters legt ein starkes Debüt vor, das emotional berührt, sprachlich überzeugt und wichtige Themen in den Mittelpunkt stellt. Nur kleine erzählerische Lücken bzw. der Mangel an vielfältigeren Perspektiven verhindern für mich das ganz große Lesehighlight. Trotzdem: eine klare Empfehlung für alle, die literarisch tief eintauchen möchten.
"Ich hätte Brüder und Schwestern haben können, ich hätte in einem Haus leben können, wo die Fenster offen waren, wo gelacht und gestritten wurde und man sich wieder versöhnt hat. Ich hätte..." (Buchzitat, S. 208)
Amanda Peters, selbst mit Mi'kmaq- und Siedlerabstammung, legt mit "Beeren pflücken" ein eindrucksvolles Romandebüt vor, das bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Der Debütroman hat nicht nur den Barnes & Noble Discover Prize und die Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction gewonnen, sondern wurde auch für den Amazon First Novel Award nominiert. Die in Nova Scotia lebende Autorin ist Absolventin des renommierten Master-of-Fine-Arts-Programms am Institute of American Indian Arts und verarbeitet in ihren Texten eindrucksvoll die Perspektiven und Erfahrungen der Mi’kmaq-Kultur.
Worum geht’s genau?
Im Sommer 1962 verschwindet in Maine die vierjährige Ruthie, ein Mi'kmaq-Mädchen, spurlos. Zurück bleiben ihr Bruder Joe, der sie zuletzt gesehen hat, und eine Familie, die an der Ungewissheit zerbricht. Jahrzehnte später lebt Norma in einer wohlhabenden, aber emotional kalten Familie – ohne zu wissen, dass ihre Geschichte mit Ruthies Verschwinden verknüpft ist. Als sie spürt, dass etwas nicht stimmt, beginnt eine lange Suche nach der eigenen Herkunft, bei der Hoffnung, Schuld und Vergebung eng miteinander verflochten sind.
Meine Meinung
„Ich hätte Brüder und Schwestern haben können, ich hätte in einem Haus leben können, wo die Fenster offen waren, wo gelacht und gestritten wurde und man sich wieder versöhnt hat.“ (S. 278) – Mit diesem Zitat beginnt für mich die emotionale Tiefe dieses Romans. Beeren pflücken ist ein bewegendes Buch über Verlust, Schuld und die zähe Suche nach Zugehörigkeit. Amanda Peters schreibt eindringlich und doch angenehm flüssig. Ich habe das Buch in zwei Tagen verschlungen – der Hype in meiner Buchbubble war berechtigt, auch wenn es für mich kein Lesehighlight war.
Die abwechselnde Erzählperspektive zwischen Norma und Joe bringt eine interessante Dynamik in die Geschichte. Besonders Norma/Ruthies Sicht empfand ich als sehr zugänglich und authentisch. Joe hingegen bleibt mir durch seine selbstzerstörerische Art stellenweise fremd, auch wenn seine Verzweiflung nachvollziehbar ist. Dennoch hätte ich mir zusätzlich Perspektiven von Ruthies und Joes Mutter oder ihren Geschwistern gewünscht – das hätte den Roman emotional noch reicher gemacht.
Besonders stark finde ich, wie das Thema Schuld verarbeitet wird. Da ist einerseits Joe, der sich die Schuld am Verschwinden seiner Schwester gibt, weil er sie zuletzt gesehen hat und auch seinem Bruder nicht zur Hilfe eilt, als er es am dringendsten benötigen würde. Norma wiederum, wächst im Schatten einer gelebte Lüge auf und ist ständig mit den Verlustängsten ihrer Mutter konfrontiert. Die familiären Beziehungen, vor allem Mae (Joes und Ruthies Schwester) – meiner absoluten Lieblingsfigur – geben dem Roman einen lebendigen, rebellischen Puls. Mae spuckt nicht nur in den Kaffee rassistischer Männer (S. 124), sondern hält die Familie mit ihrer stillen Kraft zusammen.
Die Themen, die Peters behandelt, sind vielfältig und tiefgründig: der Tod von Geschwistern, der Schmerz über Fehlgeburten, queere Identität, der Rassismus gegenüber den Mi'kmaq, die Sprachlosigkeit nach Verlust und die Frage, wie viel ein Mensch tragen kann, bevor er zerbricht.
Fazit
Ich vergebe 4 von 5 Sternen. Amanda Peters legt ein starkes Debüt vor, das emotional berührt, sprachlich überzeugt und wichtige Themen in den Mittelpunkt stellt. Nur kleine erzählerische Lücken bzw. der Mangel an vielfältigeren Perspektiven verhindern für mich das ganz große Lesehighlight. Trotzdem: eine klare Empfehlung für alle, die literarisch tief eintauchen möchten.
"Ich hätte Brüder und Schwestern haben können, ich hätte in einem Haus leben können, wo die Fenster offen waren, wo gelacht und gestritten wurde und man sich wieder versöhnt hat. Ich hätte..." (Buchzitat, S. 208)