Familiengeheimnisse

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katma Avatar

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Das Buch ist die Fortsetzung von "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" aber man kann es auch unabhängig voneinander lesen und wer das 1. Buch noch nicht gelesen hat, dem würde ich sogar empfehlen, mit diesem 2. Roman zu starten. Für mich war das Wiedersehen mit den 3 Frauen (na gut, Hannah ist im vorliegenden Buch noch ein Baby) sehr emotional und man lernt Evelyn, die im 1. Buch ziemlich spröde und unsymphatisch ist, besser verstehen. Sie musste sich in ihrem Wunsch, Kind und Familie zu vereinbaren noch vielmehr aufreiben, als wir Frauen es heutzutage tun müssen und oft hätte ich mir am liebsten die Augen zugehalten, wenn sie über den Umgang mit ihrem Kind erzählt hat. Silvia musste immer nur funktionieren und konnte es ihrer Mutter eigentlich nie recht machen. Ihr Ausbrechen aus der bedrückenden Enge der süddeutschen Kleinstadt mit den hinter Gardinen stehenden Nachbarn war unumgänglich.

Und dennoch, als sie selbst Mutter wird, findet sie den Weg in ihr Geburtshaus zurück. Mittlerweile lebt ihre Mutter allein, isst Butterbrote vorm Fernseher, in dem die "Schwarzwaldklinik" läuft. Silvia platzt in dieses einsame Leben und nach einer Weile beginnen Mutter und Tochter langsam und vorsichtig eine Aufarbeitung ihrer von Unverständnis und Unterkühlung geprägten Geschichte. Rückblicke in die 50ern, 60iger und 70iger Jahren nehmen den Leser mit. Besonders hat mir Tante Betty, die ehemals beste Freundin Evelyns und Schwester ihres Mannes gefallen, die für ihre Eltern beruflich zurückgesteckt und sich trotzdem emanzipiert hat und für Silvia eine wichtige Bezugsperson war. Umso trauriger machte mich ihr Schicksal.

"Bei euch ist es immer so unheimlich still" ist weniger von historischen Begebenheiten getragen sondern eher von den innerfamiliären und den sozialen Beziehungen. Das Ausmaß der emanzipatorischen Rückschrittlichkeit ist enorm und es ist schockierend, dass dies bis in die 80iger Jahre des 20. Jahrhundert andauerte. Die Autorin hat dieses kleinbürgerliche, kleinliche Verhalten ("Was sollen denn die Leute denken?") perfekt dargestellt. Damit ist es auch eine Aufarbeitung der durch die Gesellschaft auferlegten Rollen in der BRD und deren zaghaftes Aufbrechen, manchmal mit großen Verlusten.